Der frühere BZÖ-Politiker und nunmehrige PR-Berater Stefan Petzner ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht als Sozialbetrüger zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Das Gericht ging davon aus, dass er sich 2019 wissentlich und in Täuschungsabsicht Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in Höhe von knapp 7.600 Euro verschafft hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Petzner will dagegen mit "voller Berufung" vorgehen, wie er betonte.
Auf seine erstinstanzliche Verurteilung reagierte der 42-Jährige äußerst ungewöhnlich und erinnerte dabei an ein trotziges Kind. Petzner erhob sich vom Anklagestuhl und setzte sich mit dem Rücken zur Richterin und gespreizten Beinen wieder hin, wobei er gegen die Lehne des Sessels wippte, während die Richterin ihr Urteil begründete. "Sie reden einen Blödsinn!", warf Petzner plötzlich ein, worauf ihn Verteidiger Meinhard Novak ermahnte. "Des is ma wurscht, die redet an Blödsinn", beharrte Petzner.
"..wenn man eine Kamikaze-Richterin vor sich hat"
Nach der Verhandlung auf sein Verhalten im Gerichtssaal angesprochen, erklärte der 42-Jährige Vertreterinnen und Vertretern der Medien: "Ich bin ein emotionaler Mensch. Ich bin nicht so ein eiskalter Mensch wie der Grasser (gemeint: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Anm.)." Mit ihm seien die Emotionen durchgegangen, "wenn man eine Kamikaze-Richterin vor sich hat." Auf die Frage eines Journalisten, wie es nun weitergehe, erwiderte Petzner, er hoffe im Rechtsmittelverfahren auf einen Freispruch.
Dabei hatte er noch zu Beginn der Verhandlung "Ich bekenne mich einsichtig nicht schuldig" erklärt und zumindest eingeräumt, einen "Fehler" begangen zu haben. "Ich war der Überzeugung, dass das alles in Ordnung war", sagte Petzner in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er habe "laut meinem Ermessen alles richtig ausgefüllt" und "keinen Vorsatz, jemanden zu betrügen" gehabt.
Er habe 2019 sein Unternehmen - die petzner communications e. U. - aufgrund gesundheitlicher Probleme ruhend gestellt und auf Rat seines Vaters Sozialleistungen beantragt: "Es war mir richtig peinlich, zum AMS zu gehen. Ich habe 15 Minuten gebraucht, um mich hineinzutrauen. Ich habe das als persönliche Niederlage empfunden."
"Das waren nicht 100.000 Euro wie bei der Karmasin"
Dass er im Bezugszeitraum neben den Sozialleistungen aus insgesamt drei Aufträgen Einkünfte als Selbstständiger bezog, habe er nicht als problematisch angesehen: "Das waren so 5.000 Euro. Das waren nicht 100.000 Euro wie bei der Karmasin (gemeint: die ehemalige ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin, Anm.)".
Er sei "ein bisschen ein Chaot" und "kein Zahlenmensch, kein Mathematikmensch. Der Mathematik-Lehrer hat in der Schule gesagt, der Petzner schafft die Matura sicher nicht. Ich hab' sie trotzdem geschafft." Insofern sei er zwar überzeugt gewesen, "dass alles korrekt ist", aber bei schriftlichen Anträgen und formellem Zahlenwerk gebe es bei ihm "sicher Verbesserungsbedarf. Da ist in der Vergangenheit sicher ein Defizit da gewesen."
"Ich habe nicht nur die Hose ausgezogen, sondern die Socken und die Boxershorts dazu"
Die Anklage kreidete dem ehemaligen Sprecher und Vertrauten des im Oktober 2008 verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider und späteren BZÖ-Politiker an, am 20. Mai 2019 Arbeitslosengeld und am 13. August 2019 Notstandshilfe beantragt zu haben, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen. Petzner lukrierte 2.179 Euro an Arbeitslosengeld und insgesamt 7.469 an Notstandshilfe, obwohl er laut seinem Einkommensteuerbescheid in den Bezugszeiträumen rund 30.000 Euro aus seiner beruflichen Tätigkeit ins Verdienen brachte.
Den Steuerbescheid legte Petzner dem AMS vor, als dort auffiel, dass dieser als pflichtversicherter Selbstständiger bei der Sozialversicherung gemeldet war und ein Prüfverfahren eingeleitet wurde. "Ich habe nicht nur die Hose ausgezogen, sondern die Socken und die Boxershorts dazu", hielt Petzner dazu vor Gericht fest, um deutlich zu machen, dass er nichts verborgen habe. 2019 hatte sich Petzner auch an der ORF-Show "Dancing Stars" beteiligt - auch dafür erhielt er bis zu seinem Ausscheiden, das er nun am Landesgericht mit "Ich bin relativ weit gekommen, obwohl ich nicht tanzen kann" kommentierte, eine Gage. Von dieser haber er aber nichts gehabt, versicherte er der Richterin: "Das ganze Geld ist in Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten aus dem Broschüren-Prozess (Petzner wurde 2017 in Klagenfurt in einem Untreue-Prozess um eine BZÖ-Wahlkampfbroschüre zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt, Anm.) hineingeflossen. In Wahrheit habe ich für den Staat und die Justiz getanzt."
Petzners Anwalt: "Er hat einen politischen killing instinct"
Verteidiger Meinhard Novak hatte eine diversionelle Erledigung des Verfahrens angestrebt, drang damit bei der Richterin aber nicht durch. Sein Mandant habe keine bösen Absichten gehabt, versicherte Novak: "Er hat einen politischen killing instinct. Das kann er, aber Geschäftsmann ist er keiner." Novak zitierte in diesem Zusammenhang den Udo Jürgens-Song "Traumtänzer" - Petzner ist als Udo Jürgens-Verehrer bekannt - und hielt fest: "Er (Petzner, Anm.) ist schillernd. Paradiesvogel will er nicht genannt werden. Er ist halt dieser Traumtänzer."
Petzner saß von 2008 bis Oktober 2013 für das BZÖ im Nationalrat und betreibt seither eine PR-Beratungsagentur, mit der er im Februar 2023 in die Insolvenz schlitterte. Aufgrund dieser Kalamitäten habe er seine Schulden beim AMS nicht zurückzahlen und keine Schadensgutmachung leisten können, nachdem er eine "letzte Zahlungsaufforderung" vom AMS erhalten hatte, schilderte der 42-Jährige: "Das wäre eine Gläubigerbevorzugung gewesen." Seine Situation sei ihm "wie eine Mausefalle" vorgekommen, "wo ich links und rechts nicht vorbeikomme".
Inzwischen ist das Insolvenzverfahren wieder aufgehoben. Ein Sanierungsplan wurde angenommen, Petzners Gläubiger bekamen eine Quote von 25 Prozent zugestanden.