Mit dem Schmelzen der Gletscher verlieren Kaltwasser-Arten in den Alpen zunehmend an Lebensraum. Die verbleibenden Habitate sind schlecht geschützt, wie eine neue internationale Studie im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" zeigt. In den Schmelzwasserflüssen lebende Wirbellose wie Steinfliegen und Plattwürmer sind wichtige Bestandteile des alpinen Ökosystems, wie die Autoren aus der Schweiz, Österreich, Italien und Großbritannien in der publizierten Studie schreiben.
Die Tiere dienen als Nahrungsquelle für andere Tiere wie Fische, Amphibien, Vögel und Säugetiere. Ein Rückgang oder Verlust dieser wirbellosen Arten kann daher weitreichende Auswirkungen auf die gesamte alpine Tierwelt haben.
Wasser der Alpenflüsse erwärmt sich
Die Forscherinnen und Forscher haben für die Studie Daten zu Gletscherveränderung, Landschaftsveränderung und Biodiversität im gesamten Alpenraum gesammelt und simuliert, wie sich die wichtigsten Wirbellosen-Populationen im Gebirge zwischen 2020 und 2100 aufgrund des Klimawandels verändern werden. An der Analyse war auch Leopold Füreder von der Fakultät für Biologie der Universität Innsbruck.
Kurzfristig werden laut den Berechnungen einige Flüsse mehr Wasser führen. Über mehrere Jahrzehnte hinweg werden die meisten Wasserläufe hingegen trockener. Außerdem erwärmt sich das Wasser der Alpenflüsse. Für die im kalten Wasser lebenden Wirbellosen bedeutet das eine Flucht in die höchsten Gebiete des Gebirges.
Rückzugsgebiete
Von den verbleibenden Rückzugsgebieten der Kaltwasser-Arten befindet sich laut der Studie ein Großteil außerhalb von Naturschutzgebieten. Weniger als zwölf Prozent der für das Jahr 2100 ausgemachten Lebensräume von wirbellosen Kaltwasserarten stehen demnach unter Schutz.
"Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für den Schutz der Biodiversität", schreiben die Autorinnen und Autoren. Gebiete, in denen Gletscher bis zum späten 21. Jahrhundert fortbestehen, werden demnach voraussichtlich für menschliche Aktivitäten wie den Bau von Wasserkraftwerken und Skigebieten priorisiert. Eine intensivere Überwachung der biologischen Vielfalt in den alpinen Flüssen sei deshalb dringend erforderlich.