Martin Sellner, bis 2023 Sprecher der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht vom Vorwurf der Verhetzung freigesprochen worden. Inkriminiert war ein Textbeitrag auf Sellners privatem Telegram-Kanal, den dieser am 7. Dezember 2022 nach Razzien in der deutschen Reichsbürgerszene abgesetzt hatte. Dass damit zu Hass gegen die Gruppe der Asylsuchenden aufgestachelt wurde, sah das Gericht nicht bestätigt.
Laut deutscher Bundesanwaltschaft hatten die festgenommenen Reichsbürgerproponenten den Umsturz der staatlichen Ordnung in Deutschland und die Übernahme der Staatsführung geplant. "Putsch? Von wegen", meinte Sellner in diesem Zusammenhang auf seinem Kanal. Und er ließ seine Abonnenten sinngemäß wissen, von jedem Asylheim gehe mehr Gefahr aus als von der Reichsbürgerbewegung.
Freie Meinungsäußerung
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete, er habe die Gruppe der Asylwerber damit pauschal als Straftäter dargestellt. Für Sellner hingegen sei die Textnachricht von der freien Meinungsäußerung gedeckt. "Ich habe explizit geschrieben, dass von jedem Asylheim und nicht von jedem Asylanten Gefahr ausgeht", weil Letzteres wäre eine Pauschalisierung, und das "behaupte ich selbstverständlich auch nicht".
Außerdem habe er sich mit seiner Nachricht auf einen konkreten Fall bezogen, bekräftigte Sellner. Zwei Tage, bevor er die Nachricht versendet hatte, wurden im deutschen Illerkirchberg zwei Mädchen von einem Asylwerber mit einem Messer attackiert und verletzt, eines davon tödlich. Der Konnex zu diesem Vorfall liege darin, dass "die Presse den Razzien viel mehr Aufwand geschenkt" habe. Die Nachricht sei "Kritik daran, dass die Terroraktion die Vorfälle in Illerkirchberg verdrängt" habe.
Urteil nicht rechtskräftig
Dieser Argumentation konnte auch der Richter folgen. Dem Vorwurf, wonach mit der Nachricht die Gruppe der Flüchtlinge pauschal gemeint war, schloss sich der Richter nicht an. Die Aussage, dass von jedem Asylheim Gefahr ausgehe, sei "nicht ausreichend dafür, Hass gegen eine ganze Volksgruppe aufzustacheln". Für Sellner gab es daher einen Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.