2021 fand "Austria for Life" erstmals in kleinerer Form mitten in der Pandemie statt, am 29. April 2023 folgt die zweite Auflage in großer Manier in Schönbrunn.
Gery Keszler: Zahlreiche Menschen in Österreich hat die Pandemie und ihre Folgen in eine äußerst schwierige Lage gebracht. Als wir das Projekt vor zwei Jahren das erste Mal aufgestellt haben, ging es darum, eine Show zu gestalten, die unabhängig von einem Publikum funktioniert und dennoch als Livesendung wie bei "Licht ins Dunkel" Spendengelder generiert. Zustande kam das Projekt gemeinsam mit dem ORF und der Initiative "Österreich hilft Österreich", die sich aus mehreren Hilfsorganisationen zusammensetzt. Diese kleine Premiere fand damals beim Stephansdom statt und ist wunderbar aufgegangen - trotz der damals späten Sendezeit. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, einen zweiten Anlauf zu nehmen, diesmal eben mit dem Schloss Schönbrunn als Austragungsort.
Welche Menschen werden mit dem Projekt unterstützt?
Vor allem Jugendliche erleben im Moment eine harte Zeit, sie wachsen zwischen Krisen, Pandemien, Krieg und Naturkatastrophen auf und machen sich berechtigt große Sorgen um ihre Zukunft. Viele haben unter der Isolation der vergangenen Jahre stark gelitten, da sie auf soziale Kontakte verzichten mussten, obwohl das vor allem in dieser Altersgruppe eines der wichtigsten Dinge im Leben ist. Aus diesem Grund haben sie ein besonderes Recht auf Unterstützung. Deswegen dient die Kampagne von "Österreich hilft Österreich" heuer dazu, Bildungsmaßnahmen zu fördern, psychosoziale Unterstützung zu leisten und auch Familien, die armutsgefährdet sind, finanziell unter die Arme zu greifen.
"Austria for Life" soll neben dem karitativen Aspekt natürlich auch unterhalten. Welchem Thema widmet sich die Veranstaltung?
Es ist spannend, zu beobachten, dass Menschen in unsicheren Zeiten wie jenen, in denen wir uns gerade befinden, lieber in die Vergangenheit zu schauen scheinen, als in eine ungewisse Zukunft zu blicken. Dieses Phänomen haben wir aufgegriffen und machen eine Zeitreise, die mit dem Bauauftrag des Schlosses beginnt und mit der österreichischen Verfassung endet. Reformen, reaktionäre Rückschläge, spießiges Biedermeier, Wiener Kongress und der Wunsch nach einem einigen Europa. Viele Themen, die jetzt aktuell sind, haben auf gewisse Weise auch das Österreich der Vergangenheit beschäftigt. Auch Bildung versus Aberglaube wird ein Thema sein, genauso wie die Freiheit und wo Freiheit ihre Grenzen findet.
Dürfen Sie bereits etwas über die Bühne verraten?
Im späten 17. Jahrhundert gab es eine Bühne von Fischer von Erlach, eine Kutschenauffahrtsrampe, deswegen setzen wir das Projekt auch mit Pferden aus fünf Nationen um. Auch die Lipizzaner und Piber werden vertreten sein, so wie Ungarn, Slowenien, Tschechien und die Slowakei.
Können der gute Zweck und ein so fulminantes Event korrelieren?
Am Ende geht es darum, so spektakulär zu unterhalten, dass die Leute auch wirklich am Fernsehgerät bleiben und im besten Fall auch etwas spenden - der gute Zweck ist die Grundlage dieser Veranstaltung. Wir sind uns natürlich bewusst, dass die Menschen sich derzeit um Inflation und Kosten für Strom und Gas Gedanken machen, deswegen wollen wir ihnen für ihre Großzügigkeit auch etwas bieten. Die größte Herausforderung ist, diese Sensibilisierung für die Probleme, mit denen viele junge Menschen gerade kämpfen, und die Unterhaltung in ein Boot zu holen.
Benefizveranstaltungen wie "Licht ins Dunkel" standen in der Vergangenheit bereits in der Kritik. Wie gehen Sie damit um, dass Charity auch kritisch beleuchtet wird?
Inhalte und die effiziente Verteilung und Verwendung von Geldern sind wichtig. Es geht nicht nur darum, Cash zu sammeln, sondern dahinter steckt wirklich ein Bildungsauftrag mit dem Sinn, Menschen für die Probleme schwächer Gestellterer zu sensibilisieren. Darin sehe ich oftmals gerade in der Medienwelt die vielleicht sogar noch verantwortungsvollere Aufgabe. Wenn die Menschen also nach der Sendung einfach nur mit mehr Wissen vom Fernsehgerät weggehen, ist auch etwas gewonnen.
Sie haben mit dem Life Ball die größte Benefizveranstaltung für Menschen mit AIDS ins Leben gerufen und ihn jahrelang organisiert, kann man das mit "Austria for Life" vergleichen?
Der Life Ball hat über Jahrzehnte viel bewirkt und auch die Gesellschaft beeinflusst, man muss sich aber auch im Klaren sein, es wäre unrealistisch zu sagen, dass "Austria for Life" schon dieselbe Tragweite hat. Viele Dinge von damals sind jetzt auch nicht mehr wirklich aktuell. Ein Beispiel dafür ist der Lifeball-Flieger, der nach Los Angeles und zurückgeflogen ist. Undenkbar in Zeiten, in denen der Klimawandel sich zu unserem größten Problem entwickelt. Jede Premiere ist immer ein Testlauf. Ein neues Konzept muss immer erst erprobt werden, da geht es auch darum, die richtige Sprache und Ausdrucksform zu finden. Für eine Veranstaltung in der Pandemie wählt man eine ruhigere Sprache, jetzt geht es darum, bei den Menschen wieder Lebensfreude zu erzeugen und das Leben mit all seinen Facetten zu zelebrieren.
Was bedeutet es Ihnen, zu sehen, dass Sie durch Ihre Erfahrung die Möglichkeit haben, große Charity-Veranstaltungen mit einer Botschaft zu kreieren?
Eigentlich hätte zu diesem Zeitpunkt der 30. Life Ball stattgefunden. Es ist also schon ein Zeiterl eines Lebens, in dem man Erfahrungen sammelt. Wenn ich daran denke, dass ich damals mit einem Festnetztelefon und einem Thermofaxgerät auf vier Quadratmetern begonnen habe, ist das schon etwas Großes geworden. Aber ich schaue nicht zurück, ich will meine Erfahrungen zukunftsorientiert einsetzen. Den Hauptteil meines Berufslebens habe ich hinter mir (lacht), deswegen möchte ich noch einmal die Initiative ergreifen und mit diesem zweiten Mal den richtigen Schritt setzen, die Marke "Austria for Life" aufzubauen. Denn ich hoffe, dass es dann junge Menschen gibt, die das dann von mir übernehmen und weiterführen. Schließlich soll "Austria for Life" in Zukunft auch durch ganz Österreich wandern und nie am selben Ort bleiben.
Sehen Sie sich selbst als Vorbild für junge Menschen?
Ich hoffe, dass ich das sein kann, denn es macht mir schließlich auch enormen Spaß. Empathie, Mut und Zielstrebigkeit möchte ich vermitteln, Dinge zu Ende zu bringen, wenn man sie angefangen hat - ich möchte zeigen, dass man in seinem Beruf auch Berufung finden kann und dieser nicht einfach nur dazu da ist, um Geld zu verdienen. Wenn man seine Berufung findet, dann erfüllt man auch sein Leben damit, weil man es sinnvoll gestaltet. Beruf heißt für mich, nicht den Zwang zu haben, Dinge machen zu müssen, sondern berufen zu sein, seine Talente im besten Fall auch für andere Menschen einzusetzen und damit Erfolgserlebnisse zu haben. Wir verbringen einen Großteil unserer Zeit mit diesen Aufgaben und daher ist es schön, wenn man darin aufgehen kann.
Was hat Sie motiviert, sich karitativ zu engagieren?
Das Leben ist keine lineare Geschichte, man schlägt unweigerlich Haken. Mit der HTL in Mödling war mir eine Techniker-Laufbahn vorgegeben, bin dann aber nach der Schule ins Ausland gegangen und habe die skurrilsten Dinge gemacht - auch, um mein Gehirn auszulüften. Als ich mit 20 Jahren mit meiner HIV-Diagnose konfrontiert wurde, habe ich mir Gedanken über den Wert des Lebens und die Art, wie man es meistern möchte, gemacht. Vor allem auch mit dem Nicht-Wissen, wie lange es dauern mag. Diese unsichere Zukunft hat mich umso mehr motiviert, tief zu stöbern und mich zu fragen, was mich glücklich macht und wo meine Talente liegen. Und ich freue mich, dass mein Leben bislang so intensiv war.
Wie fühlt es sich für Sie an, zu sehen, wie viel Unterstützung von allen Seiten Ihre Projekte bislang bekommen haben?
Den Life Ball, der sich über ein Vierteljahrhundert von den vier Quadratmetern zum größten AIDS-Charity-Event der Welt entwickelt hat, kann man mit "Austria for Life" gar nicht vergleichen. Es fühlt sich wieder wie die Anfangszeit an, wo wir mit einem winzigen Team etwas Großes auf die Beine stellen - das sind Mechanismen, die an die Vergangenheit erinnern, mit einer ähnlichen Energie und Aufbruchsstimmung. Beim Life Ball wussten wir, es wächst mit jedem Jahr, jetzt ist da ein großes Fragezeichen für viele Menschen. Mit engagierten Ehrenamtlichen begeben wir uns auf dieses Abenteuer, bei dem wir viel weniger finanzielle und ressourcentechnische Möglichkeiten haben. Es sind auch zahlreiche junge Menschen involviert.
Das bedeutet, "Austria for Life" ist eine Veranstaltung, die nicht nur für, sondern auch von Jugendlichen ist?
Ich versuche wirklich auf allen Ebenen, vor und hinter der Bühne, die Jugend mit einzubinden, unter anderem ist auch die Modeschule Herbststraße dabei, auch neben den Prominenten an den Spendentelefonen sitzen Jugendliche. Ich will Ihnen die Möglichkeit geben, sich zu trauen und zuzulassen, andere Ausdrucksformen zu finden. Die Freude dabei ist ein Grundmechanismus, ohne sie geht gar nichts.
Die Menschen sehen im Fernsehen dann nur das Endprodukt, doch wie viele Personen sind tatsächlich involviert?
Es werden einige Hundert zusammenkommen. Von Ehrenamtlichen über Künstlerinnen und Künstlern bis hin zu Schülerinnen und Schülern, die die 300 Kostüme betreuen, die zum Einsatz kommen. Mir ist einfach wichtig, dass die Leute verstehen, dass ich zwar der Initiator bin, diese Veranstaltung aber nur wegen dieser Gruppe, aus einem Verein, einer Schar von Helfern, Spezialisten und Laien überhaupt funktionieren kann.