Nach den nicht rechtskräftigen Urteilen im Prozess gegen mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Personen getötet hat, hat sich auch die Anklagebehörde geäußert: In zwei Fällen wird die Staatsanwaltschaft Strafberufung einlegen. Das teilte Behördensprecherin Nina Bussek am Montag der APA mit.

Betroffen davon sind der Dritt- und der Sechstangeklagte. Der Drittangeklagte hatte in erster Instanz wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord, Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial 20 Jahre Haft ausgefasst.

Sechs von acht Geschworenen waren überzeugt, dass er an Vorbereitungen am Anschlag und an der geplanten Flucht des Attentäters beteiligt war sowie diesen in Richtung Tatbegehung bestärkt hatte. Der 24-Jährige wäre nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien - wie der Viert- und der Fünftangeklagte - ebenfalls zu lebenslanger Haft zu verurteilen gewesen, zumal er den Attentäter bereits 2018 zum IS nach Syrien begleiten hatte wollen.

Nach Österreich abgeschoben

Die beiden IS-Sympathisanten waren damals aber vor dem beabsichtigten Grenzübertritt auf türkischem Territorium festgenommen und von den türkischen Behörden nach Österreich abgeschoben worden. Am 25. April 2019 wurden beide vom Wiener Landesgericht für Strafsachen jeweils zu 22 Monaten unbedingte Haft verurteilt. Die Inhaftierung und das Durchlaufen eines Deradikalisierungsprogramms seitens des Vereins Derad hielt augenscheinlich weder den Attentäter noch - folgt man dem nicht rechtskräftigen vorwöchigen Urteil - seinen 24-jährigen Bekannten nach deren Haftentlassung von der Begehung weiterer terroristischer Straftaten im Namen des IS ab.

Kontakt zu Waffen-Vermittler

Eine höhere Strafe verlangt die Staatsanwaltschaft auch für den Sechstangeklagten, auf dessen Spur die Strafverfolgungsbehörden erst relativ spät gekommen waren. Der Mann wurde erst am 12. April 2021 in U-Haft genommen. Weil er nach Dafürhalten der Geschworenen den Terror-Anschlag förderte, indem er sich ab April 2020 dafür einsetzte, dass der Attentäter an Schusswaffen kam und im Juni 2020 den Kontakt zu einem Waffen-Vermittler herstellte, fasste der 23-Jährige in erster Instanz 19 Jahre Haft aus.

Nichtigkeitsbeschwerde

Die Rechtsvertreter des Dritt- und des Sechstangeklagten hatten bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung jeweils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Dasselbe taten auch die Verteidiger des Viert- und des Fünftangeklagten, die für die Vermittlung der Kalaschnikow und einer Pistole an den Attentäter bzw. Unterstützung und Bestärkung des Attentäters ab Mitte Juli 2020 bis zum Anschlag und Vorbereitens der Tatwaffen jeweils lebenslange Haftstrafen kassiert hatten.

Zwei Urteile rechtskräftig

Somit muss sich zunächst der Oberste Gerichtshof (OGH) mit den Rechtsmitteln der vier vom Erstgericht streng Bestraften auseinandersetzen. Demgegenüber sind die erstinstanzlichen Urteile gegen den Erst- und den Zweitangeklagten rechtskräftig, denn die Staatsanwaltschaft nahm in diesen beiden Fällen von Rechtsmitteln Abstand, wie Behördensprecherin Bussek darlegte. Die beiden Männer bzw. ihre Verteidiger hatten bereits nach der Urteilsverkündung jeweils auf Rechtsmittel verzichtet.

Möglicher Beitragstäter auf freiem Fuß

Unterdessen hat Slowenien die Strafverfolgung eines mutmaßlichen slowenischen Waffenhändlers abgelehnt, der im Verdacht steht, dem Attentäter auf Vermittlung des (nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilten) Waffenvermittlers das beim Attentat verwendete Sturmgewehr und später die Munition nach Wien gebracht zu haben.

Der Mann - er ist slowenischer Staatsbürger - wird verdächtigt, im Juni 2020 das Sturmgewehr in einem roten Mazda von Slowenien in die Bundeshauptstadt geliefert zu haben. Der spätere Attentäter soll die Waffe in einer Tasche in der Nähe einer Shisha-Bar in Wien-Leopoldstadt entgegengenommen haben. Wenige Wochen vor dem Anschlag soll der Attentäter dann auch noch die Munition in einem Plastiksackerl bekommen haben, die der Slowene wiederum entgeltlich nach Wien gebracht haben soll. Bei beiden Verkäufen soll der Waffenhändler dabei gewesen sein.

Daher haben "wir Slowenien um die Übernahme der Strafverfolgung ersucht". Das sei abgelehnt worden, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Der Mann sei auf freiem Fuß.