In Niederösterreich sind erneut Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen einen Direktor einer Musikschule bekannt geworden. Laut gemeinsamen Recherchen von ZiB 2 und "Falter" sowie einem Bericht des "Kurier" handelt es sich um den Leiter einer Einrichtung im Industrieviertel. Vorfälle waren demnach seit Jahren bekannt und wurden auch an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) herangetragen. Mikl-Leitner fungiert auch als Vorsitzende des Musikschulbeirats im Bundesland. Der Direktor ist weiter im Dienst und bestreitet die Anschuldigungen.
Laut den Medienberichten soll der Leiter zu einer Lehrerin gesagt haben, sie könne auch nackt kommen. Im Rahmen einer Verabschiedung soll er eine weitere Pädagogin auf den Mund geküsst haben, eine minderjährige Schülerin soll nach ihrer Bikinigröße gefragt worden sein.
Bei der vergangenen Dezember in Niederösterreich eingerichteten Musikschulen-Ombudsstelle sind bisher in Summe 40 Beschwerden aus neun Standorten eingegangen. Berichtet wurde neben sexueller Belästigung u. a. auch über Mobbing oder über Beschimpfungen.
Mikl-Leitner ist Vorsitzende des Beirats
Nach Angaben von Christine Rosenbach, der NÖ Gleichbehandlungsbeauftragten, meldeten Eltern und Lehrerinnen die Vorfälle 2018 bei der von ihr geleiteten Stelle. Bürgermeister und Landeshauptfrau seien informiert worden. "Es war die MeToo-Debatte und wir haben uns gedacht, das sollte sie (Mikl-Leitner, Anm.) wissen. Es kommt nicht oft vor, dass von einer Dienststelle sechs oder acht Personen ein solches Beschwerdevorbringen bringen", sagte Rosenbach am Dienstag der ZiB 2. Mikl-Leitner fungiert auch als Vorsitzende des Musikschulbeirats im Bundesland.
Das Büro von Mikl-Leitner bestätigte am Mittwoch auf APA-Anfrage, dass von Rosenbach "in der betreffenden Frage ein Schreiben, lediglich zur Information, an das Büro der Landeshauptfrau übermittelt" worden sei. "Die bearbeitende Mitarbeiterin hat daraufhin das MKM ("Musik- und Kunstschulen"-Management, Anm.) und die Abteilung Kunst und Kultur über ein Tätigwerden der zuständigen Gleichbehandlungsbeauftragten mit Hinweis auf das Schreiben in Kenntnis gesetzt", hieß es weiter. "Die unabhängige NÖ Gleichbehandlungsbeauftragte hat das Verfahren nach Rückmeldung des zuständigen Bürgermeisters eingestellt. Es wurden seither keine weiteren Beschwerden gemeldet."
Wissen um Vorwürfe bestritten
Vom MKM wurde in einer schriftlichen Stellungnahme betont, dass das Schreiben der Gleichbehandlungsbeauftragten 2018 an die Gemeinde als Erhalter der Musikschule übermittelt worden sei. Beinhaltet gewesen sei eine klare "Aufforderung an die Gemeinde um Veranlassung der Unterlassung weiterer Anzüglichkeiten und Belästigungen durch den betreffenden Musikschuldirektor". Das Schreiben sei auch an das MKM gegangen. "Auf unsere damalige Nachfrage wurde klar artikuliert, dass die betroffene Gemeinde hier Schritte setzen muss und dies auch tun wird bzw. getan hat." Hinsichtlich der aktuell einlaufenden Beschwerden "werden derzeit im Auftrag des Landes Maßnahmen erarbeitet und im Weiteren umgesetzt", wurde auf APA-Anfrage mitgeteilt.
2019 sollen sich Eltern auch bei der Bildungsdirektion gemeldet haben. Bildungsdirektor Karl Fritthum bestritt allerdings im Gespräch mit der ZiB 2, dass die von ihm vertretene Institution vor 2022 von den Vorwürfen gewusst habe – "insbesondere nicht, was Belästigungen betrifft". Er wolle den Anschuldigungen nachgehen und habe "kein Interesse daran, dass hier irgendetwas unter den Tisch gekehrt wird".
Der Direktor selbst bezeichnete die Vorwürfe in einer den Medien vorliegenden Stellungnahme als "erlogen". Er sei "ein großer Freund und Vorreiter der MeToo-Bewegung", generell wolle man ihm offenbar persönlich schaden.
Mobbing, sexuelle Belästigung, Beschimpfungen
Bei der Musikschulen-Ombudsstelle sind bisher 40 Beschwerden aus neun Standorten eingegangen. Berichtet wurde neben sexueller Belästigung auch über Mobbing oder über Beschimpfungen.
Der Direktor einer Musikschule im Weinviertel – die Causa kann als Anlassfall für die Etablierung der Ombudsstelle gesehen werden – wurde nach diversen Vorwürfen im Dezember des Vorjahres entlassen. An einer zweiten betroffenen Schule im Industrieviertel ist ein von mehreren Aussagen belasteter Lehrer ebenfalls nicht mehr tätig. Der Pädagoge selbst spricht von Mobbing und brachte laut "Kurier" eine Klage gegen die Gemeinde ein. Ein arbeitsgerichtlicher Prozess soll am 14. Februar folgen.