Die Debatte um die Versorgung mit Medikamenten geht weiter: Aktuell sind laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) mehr als 540 Arzneimittel nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer kritisierte im Ö1-Morgenjournal die Abhängigkeit in der Herstellung von Asien. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Arzneimittelgroßhändler (Phago), verwies auf eine "außergewöhnliche Situation", ein "Krisenlager" sei nötig.
"Wir brauchen ein Krisenlager für ganz wichtige Arzneimittel, weil es in globalen Lieferketten immer wieder zu Problemen kommen kann. Das ist ein Faktum und wir müssen gerade bei jenen, die nicht austauschbar sind, wesentlich autarker sein", sagte Windischbauer. Vieles könne nur auf europäischer Ebene passieren, aber in diesem Bereich müsse Österreich selbst einen Vorrat schaffen.
"Starkes Infektionsgeschehen"
"Nach zwei sehr schwachen Jahren mit sehr niedrigen Infektionsgeschehen haben wir jetzt auch für ein Normaljahr ein sehr starkes Infektionsgeschehen", meinte er weiter. Das merke man vor allem bei der schlechteren Verfügbarkeit von Antibiotika. "Und wir sehen leider überall, dass auch durch die Pandemie die globalen Lieferketten stark unter Druck geraten sind."
"Aus Kostengründen produzieren die meisten Arzneimittelhersteller nicht mehr in Europa, sondern fast nur noch in Asien, vor allem in China und Indien. Oft wird ein Wirkstoff nur noch an einem oder zwei Standorten weltweit produziert. Dasselbe gilt für die Lagerung, die zunehmend an wenigen Standorten der Hersteller im Ausland und nicht mehr in Österreich oder anderen EU-Ländern erfolgt", wird das Engpass-Problem in einer Stellungnahme der Apothekerkammer beschrieben.
Abhängig von Ausland
"Man muss leider Gottes sagen, dass wir aus zweieinhalb Jahren Pandemie nichts gelernt haben", meinte Mayer im ORF-Radio. "Wir haben am Anfang der Pandemie gesehen, wir kriegen Probleme mit Medikamentenbeschaffung, Produktion, Medizinprodukten, damals gab es die wunderbare Idee, die EU müsse versuchen, autark zu werden. Geschehen ist in den letzten zweieinhalb Jahren nichts." Es werde nur versucht, Gewinne zu optimieren und dabei übersehen, dass man in lebensnotwendigen Dingen eine gewisse Autonomie brauche.
"Wir sind weiter abhängig von Rohstoffen aus diversesten Drittländern und wir haben es nicht geschafft, eine vernünftige EU-weit einheitliche oder von mir aus auch gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien et cetera eine Versorgung an Medizinprodukten herzustellen oder zu versuchen aufzubauen", kritisierte Mayer. Das Infektionsgeschehen sei "überhaupt nicht vergleichbar mit den letzten zwei Jahren" und auch für ein Normaljahr wie vor der Pandemie besonders hoch, führte Windischbauer ins Treffen. "Dazu gibt es bei den Wirkstoffen ein Problem, das haben wir schon im September erkannt und diese Kombination ist jetzt wirklich ziemlich krass geworden." Aktuell seien sogar über 1.000 sehr gängige Arzneimittel nicht lieferbar, "da sind aber sehr viele darunter, wo es genügend Ersatzpräparate gibt".
Vorräte in Europa erhöhen
Nötig sei, "die Vorräte nicht nur in Europa, sondern auch die Vorräte in Österreich" zu erhöhen. Dafür müsse man diese Produkte aber auch kaufen können, "und derzeit sind wir abhängig von den Kontingenten, die wir in Österreich zugeteilt bekommen". Die Herstellung nach Europa zu holen "ist ein langjähriger Vorgang". Zudem hätten gerade die gängigsten Mittel enorm niedrige Preise - "70 Prozent der Arzneimittel liegen unter sechs Euro". Auf diesem Niveau sei "keine Herstellung in Europa möglich", betonte Windischbauer.
Beim BASG war auch in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Medikamenten als nicht verfügbar gemeldet: 2020 waren es in Summe knapp 1.102, 2021 knapp 800 und 2022 in Summe fast 1.260, hieß es im Ö1-Morgenjournal.