Nach sieben Verhandlungstagen ist der Prozess rund um den gewaltsamen Tod der 13-Jährigen aus Niederösterreich vor eineinhalb Jahren in einer Wiener Wohnung mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Der 24-jährige Hauptangeklagte wurde am Freitagabend wegen Mordes und die beiden anderen wegen Mordes durch Unterlassung schuldig gesprochen. Zudem wurde bei allen drei Angeklagten Vergewaltigung angenommen.
Der 24-Jährige bekam eine lebenslange Haftstrafe. Der 19-jährige Zweitangeklagte, dem die Tatortwohnung gehörte, muss 20 Jahre ins Gefängnis. Der 20-jährige Drittangeklagte, der behauptete, der Freund der 13-Jährigen zu sein, muss für 19 Jahre hinter Gitter.
Das Gericht ging davon aus, dass die Angeklagten – Männer afghanischer Abstammung im Alter von 19 bis 24 Jahren – das Mädchen in der Wohnung in Missbrauchsabsicht unter Drogen gesetzt und sich dann an der 13-Jährigen vergangen hatten. Das Mädchen überlebte den Drogencocktail nicht. Das Obduktionsgutachten ergab, dass die 13-Jährige infolge der Suchtmittelvergiftung und Ersticken eines gewaltsamen Todes starb.
"Zahlreiche Widersprüche"
Jeder der drei Angeklagten würde die Tatbeteiligung in Abrede stellen, meinte die Staatsanwältin. Jeder habe Angst vor den Konsequenzen und "würde sich vom sinkenden Schiff retten", so die Anklägerin. So wie sie die gemeinschaftliche Tat begangen haben, würden sie versuchen, diese gemeinschaftlich zu vertuschen. "Widersprüche hat es in dem Verfahren zahlreiche gegeben", sagte die Staatsanwältin. "Ich war fassungslos, was die Angeklagten von sich gegeben haben", meinte sie. "Von ehrlich gemeinter Reue fehlt jede Spur."
Jeder der Beschuldigten gab an, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen gehabt zu haben, alle hätten danach geschlafen und dann hätten alle vorbildlich Erste Hilfe geleistet, so die Staatsanwältin. "So kann es nicht gewesen sein, weil sonst würden wir hier nicht sitzen."
Die Ankläger gehen von folgendem Tatablauf aus: Die Gruppe war mit der 13-Jährigen in die Wohnung des Zweitangeklagten gegangen, dort wurden Drogen konsumiert und gefaulenzt. Um 2.00 Uhr hatte das Mädchen noch telefonischen Kontakt mit einem Freund, da klang sie noch nicht beeinträchtigt. Danach soll der Drittangeklagte, der angab, der Freund der 13-Jährigen gewesen zu sein, das Mädchen bedrängt haben. Da haben laut Staatsanwältin die drei begonnen, den Tatplan umzusetzen und mischten ihr das Ecstasy in ein Getränk. Es waren mindestens sechs Tabletten mit dem Wirkstoff MDA, aber wahrscheinlich waren es mehr. Laut toxikologischem Gutachten habe das Mädchen die dreifach letale Dosis im Körper.
"Bilder, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt"
Dann vergingen sich laut Anklage alle drei an ihr. Gegen 4.57 Uhr entstanden Videos, die prozessgegenständlich waren und unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Geschworenen vorgespielt wurden. Da sei der Todeskampf des Mädchens zu sehen. "Das sind Bilder, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt", sagte die Staatsanwältin. Als sich der Zustand der 13-Jährigen verschlechterte, gaben sie ihr noch zu trinken und duschten sie ab. Doch das nutzte alles nichts mehr. Um die Tat zu verschleiern, brachten sie das Mädchen aus der Wohnung ins Freie und lehnten es an einen Baum. Um 6.56 Uhr erst riefen sie die Rettung, da war das Mädchen bereits tot.
"Keine Strafe" könne die 13-Jährige ihrer Familie zurückbringen, meinte die Staatsanwältin. Aber die Höchststrafe wäre aufgrund der vielen Erschwerungsgründen und der fehlenden Milderungsgründen mehr als gerechtfertigt, meinte die Anklägerin. Das Delikt Vergewaltigung mit Todesfolge sei in jedem Fall erfüllt. "Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Da von einvernehmlichem Sex zu sprechen, ist eine Verhöhnung des Opfers", meinte die Anklägerin. Es haben sich durch das Beweisverfahren auch neue Anhaltspunkte ergeben, dass ein Mordvorsatz vorgelegen haben kann, spätestens als der Toxikologe sein Gutachten vorgetragen habe. Zudem hat der Erstangeklagte seinen Drogenkunden stets erklärt, nicht mehr als ein Viertel Ecstasy zu konsumieren. Er müsse sich der Wirkung der Drogen bewusst gewesen sein. Mädchen seien kein "Freiwild", deren Lage durch Betäubung ausgenutzt werden könne, sagte die Staatsanwältin. "Solche Taten müssen unermüdlich aufgeklärt und die Täter zur Verantwortung gezogen werden."
Mit Fotos des getöteten Mädchens auf einer Flipchart, das es mit ihrem Hund und beim Skifahren zeigt, leiteten die Anwälte der Familie ihre Schlussworte ein. Johannes Öhlböck, der die Eltern vertritt, las einen Brief des Vaters an die Geschworenen vor. Als sein Kind gestorben sei, "bin ich mit ihr gestorben". Es sei eine Welt für ihn zusammengebrochen. "Mich hat es verändert: Die Suizidgedanken sind verschwunden. (...) Aber die Leere ist geblieben, und sie wurde nicht besser."
Bereits 28 Frauenmorde in Österreich
Die Angeklagten hätten sich völlig uneinsichtig gezeigt, meinte Florian Höllwarth, der die Geschwister der 13-Jährigen vertritt. "Dass es jemandem nicht einmal leidtut, dass da wer gestorben ist." Heuer gab es bereits 28 Femizide. Die Geschworenen seien in der Verantwortung für all die Mädchen und Frauen, die nicht die Chance haben, einen solchen Prozess zu führen, meinte der Anwalt. Man müsse den Tätern klarmachen, "in Österreich haben Frauen und Mädchen ihre Rechte und das kann ihnen niemand nehmen".
Die Verteidiger der drei Angeklagten, Wolfgang Haas, Thomas Nirk, Andreas Schweitzer und Sebastian Lesigang plädierten an die Geschworenen, sich in ihrer Entscheidung nicht von Emotionen treiben zu lassen. Der Verteidiger des Drittangeklagten, Andreas Schweizer, machte darauf aufmerksam, dass der Fall in den Medien breitgetreten wurde. "Hier wird versucht, eine ganze Gruppe zu kriminalisieren." Die Geschworenen müssten aber objektiv entscheiden. "Das ist ein bisschen schwer, hier nicht mit Emotionen vorzugehen", so Schweitzer.
Auch baten die Rechtsvertreter, sich von jedem einzelnen Angeklagten ein Bild zu machen und anhand der Faktenlage zu entscheiden. Auch wenn von der Staatsanwaltschaft mehrfach die gemeinschaftlichen Tathandlungen der drei betont wurden, könne man nicht alle pauschal hier bewerten, sagte etwa Lesigang.
Bis zum Schluss des Prozesses war nicht klar, wer dem Mädchen die Überdosis verabreicht hat und die Männer beschuldigten sich weiter gegenseitig. Lesigang forderte für seinen Mandanten, den Drittangeklagten, sogar einen Freispruch. "Er wusste nichts von den Tabletten, er war nicht dabei."
Alle drei Angeklagten entschuldigten sich in ihren Schlussworten bei Österreich und der Familie des Mädchens. "Hätte ich gewusst, dass ich falsche Freunde habe, hätte ich sie nie dort hingebracht", meinte etwa der Drittangeklagte.
Gegen Mittag gingen die Geschworenen in Beratung. Die Urteile wurden gegen 18 Uhr ausgesprochen.