Man habe sich "geirrt", das wäre im Nachhinein betrachtet "nicht nötig" gewesen. Das sagt der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hinsichtlich der Schließungen der Kindertagesstätten (Kitas) aufgrund der Coronakrise. Und sorgt damit für Aufregung – auch in Österreich.
Denn: Eine Studie von Robert-Koch-Institut und dem Deutschen Jugendinstitut zeigt nun, wovon viele Elternvertreter, Pädagoginnen und Ärzte längst überzeugt waren: Die Einrichtungen hätte man gar nicht erst schließen müssen, von den Kindern sei kaum eine Infektionsgefahr ausgegangen. Und noch mehr: Die Schließungen haben Eltern und Kinder stark belastet.
Enorme Folgen für Kinder
Nach der deutschen Regierung lenkt jetzt auch die österreichische ein. Hier ist zwar keine Rede davon, dass man sich zu Beginn der Pandemie geirrt habe. Aber, sagt Gesundheitsminister Johannes Rauch, Heimunterricht und fehlende Kontakte hatten enorme Folgen: mehr Übergewicht, Depressionen, Stress, Suizidgedanken. Auch was den Schulstoff angeht, seien viele zurückgeblieben. "Für mich sind flächendeckende Schließungen von Kindergärten oder Schulen deshalb keine Option mehr", sagt Rauch.
In Österreich waren die Schulen im Vergleich zu anderen Ländern relativ lange geschlossen. Das zeigt eine OECD-Studie, zumindest für das Jahr 2020. Damals zählte man mehr als 80 Schließtage an den Oberstufen und knapp über 50 an Volksschulen. Einige skandinavische Länder, aber auch England, Belgien, Frankreich und Deutschland wiesen um die 40 Schließtage auf. Im Gesundheitsministerium betont man, dass man sich lediglich an die Empfehlungen von Organisationen wie der WHO gehalten habe.
Kinder waren viel zu lange zu Hause
Für Reinhold Kerbl, den Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, steht aber fest: "Österreichs Kinder waren viel zu lange zu Hause." Die Ergebnisse der Kita-Studie in Deutschland überraschen ihn kein bisschen, genauso wenig wie Kinderinfektiologen Volker Strenger. "Das haben wir ja immer gesagt", betonen beide fast wortgleich.
Kinder und Jugendliche nicht die Treiber der Pandemie
Was man damals nur annehmen, aber nicht belegen konnte, beweisen jetzt schon mehrere Studien, so die Experten. Kerbl, auch Primar am LKH Hochsteiermark, fügt hinzu: "Besonders die, die sowieso schon sozial benachteiligt waren, hat es doppelt so schwer getroffen."
Mittlerweile wisse man auch: Die Schulen und Kindergärten sind nicht die Infektionsherde, die Kinder und Jugendlichen nicht die Treiber der Pandemie. "Natürlich gab und gibt es auch dort Ansteckungen", erklärt Strenger. Aber nicht mehr als anderswo. Zudem habe sich gezeigt, dass Kinder in der Regel nicht schwer erkranken. "Durch die Schul- und Kindergartenschließungen und die anderen Pandemiemaßnahmen sind die Kinder mehr beeinträchtigt worden als durch die Erkrankung", sagt Strenger. "Es war teils so, dass alles andere offen war, nur die Schüler waren daheim", übt er Kritik.
Allerdings: Ob man die Schließungen zu Beginn der Pandemie der Politik vorwerfen kann, zweifelt Strenger an. Schließlich habe es anfangs viele verschiedene Stimmen und Vermutungen gegeben. "Wichtig ist, dass man es jetzt einsieht."