Der eher wenig fortschrittliche Umgang Österreichs mit Daten aller Art wurde in der Coronapandemie schmerzlich bewusst: Immer wieder waren Systeme überlastet, nach zwei Jahren Pandemie mussten 3400 Tote nachgemeldet werden. Nun sorgt ein Datenschwund für Aufregung: Aus 1789 Covid-Patienten auf Österreichs Normalstationen am 1. November wurden über Nacht laut Ages und Gesundheitsministerium 1349.

Nur infektiöse Fälle in der Statistik

Hintergrund ist aber nicht, dass 440 Menschen am selben Tag Österreichs Spitäler verließen, sondern dass die Zählweise geändert wurde: Bei der Meldung von mit Covid-19-Fällen belegten Betten auf Normalstationen werden "ab nun nur noch infektiöse Fälle erfasst", erklärt das Gesundheitsministerium am Mittwoch auf Nachfrage. Als nicht mehr infektiös gilt im Spital nur, wer negativ getestet wurde oder einen Ct-Wert von über 30 hat - manche Spitäler seien auch strenger, heißt es auf Nachfrage aus dem Gesundheitsministerium.

Wer mit Covid-19 im Spital aufgenommen wurde, nicht mehr positiv ist, aber weiterhin Versorgung im Spital benötigt, wird folglich nicht mehr in der Statistik erfasst. Hintergrund ist, dass nicht-mehr-infektiöse Personen auf Normalstationen etwa auch nicht mehr von anderen Patientinnen und Patienten isoliert werden müssen. Die Änderung der Zählweise betrifft aber nur Normalstationen, auf Intensivstationen werden auch nicht mehr ansteckende Fälle in der Statistik mitgezählt.

Die Zählweise sei eigentlich bereits im Mai geändert worden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, doch nicht alle Bundesländer hätten sich daran gehalten. Um einen "einheitlichen Übergang zwischen den eingemeldeten Daten der Bundesländer zu gewährleisten", würden seit Mittwoch, 2. November, die Werte einheitlich anhand der angepassten Definition übermittelt werden. Dadurch ergab sich der nächtliche Schwund an Hospitalisierungen.

Neue Zählweise "vernünftig"

Glücklich sei er über die Änderung nicht, sagt der Statistiker Erich Neuwirth, der den Verlauf der Pandemie in Österreich seit Beginn analysiert. Denn jede Definitionsänderung führe zu einem Bruch in den Daten - "dadurch verliert man die Vergleichbarkeit". Grundsätzlich hält er die neue Zählweise aber für vernünftig, da sie die tatsächliche Belastung an den Covid-Stationen besser darstelle.

Die Belagszahl sei allerdings allgemein vor allem für das Gesundheitssystem interessant, um die Belastung in den Krankenhäusern zu betrachten, aus epidemiologischer Sicht aber zweitrangig, erklärt der Statistiker, denn: "Wenn doppelt so viele Leute halb so lange im Spital liegen, komme ich auf dieselbe Belagszahl." Ihm fehlt die Zahl der neuen Fälle, die ins Spital müssen. Dieser Wert erlaubt, die Schwere von Verläufen rascher zu erkennen und wird auch für den internationalen Vergleich herangezogen.

Ministerium: Keine politische Entscheidung

Auch der Politikwissenschaftler Jakob-Moritz Eberl, Mitglied des Austrian Corona Panel Project, kritisiert gegenüber der Kleinen Zeitung die "überraschende Anpassung der Messung ohne klarer Begleitkommunikation". Diese könne "zusätzliche Skepsis in der Bevölkerung erzeugen und das Vertrauen in das Pandemiemanagement weiter untergraben".

Immerhin habe es schon bisher Bevölkerungsgruppen gegeben, die den Coronazahlen misstrauten. Ein plötzlicher Einbruch der Hospitalisierungszahlen ohne sofortiger klarer Erklärung würde "am ohnehin schon sehr geringen Vertrauen zehren". Zusätzlich würden sich die angepassten Zahlen anbieten, um das Narrativ, dass die Pandemie bald vorbei wäre, argumentativ zu unterfüttern, so Eberl: "Das Problem ist nur, dass die Pandemie nicht einfach vorbei ist, nur weil man sie kommunikativ verdrängt."

Aus dem Gesundheitsministerium wird eine politische Entscheidung in diesem Fall aber zurückgewiesen: Man habe die Zählweise geändert, um "eine bestmögliche Einheitlichkeit der Zählweise in der Kapazitätserhebung der Bundesländer weiterhin zu gewährleisten und um die dynamische Pandemieentwicklung möglichst genau, auch von fachlicher Seite, abzubilden".