Der wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses zu einer fast fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilte zweifache Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher befindet sich wieder auf freiem Fuß. Der 62-Jährige ist nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe bedingt aus der Justizanstalt (JA) Graz-Karlau entlassen worden. Das gab die Sprecherin des Landesgerichts Graz, Barbara Schwarz, am Freitag auf APA-Anfrage bekannt.
Ein psychologischer Sachverständiger habe in seiner Prognose-Begutachtung keine Einwände gegen die bedingte Entlassung Seisenbachers gehabt, sagte Schwarz. Die Staatsanwaltschaft Graz habe dieser zugestimmt. Die Enthaftung sei daher bereits verfügt worden.
Keine Überraschung
Das ist insofern keine Überraschung, als das österreichische Strafrecht vorsieht, dass ein Häftling grundsätzlich spätestens nach zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe vorzeitig entlassen wird, es sei denn, sogenannte besondere Gründe lassen befürchten, dass er wieder straffällig wird. Die bedingte Entlassung wird mit einer Probezeit von einem bis zu drei Jahren verknüpft, während dieser sich der Betroffene wohl zu verhalten und allfällige gerichtliche Weisungen zu befolgen hat. Solche hat es laut Gerichtssprecherin Schwarz auch bei Seisenbacher gegeben. Falls der Ex-Sportler gegen Auflagen verstoßen oder gar wieder strafrechtlich in Erscheinung treten sollte, kann die bedingte Entlassung widerrufen werden. Dann ginge es wieder zurück ins Gefängnis, um die Reststrafe abzusitzen – wovon dem Gutachten des von der Justiz beigezogenen Psychologen allerdings nicht auszugehen ist.
Seisenbacher war im Dezember 2019 vom Wiener Landesgericht für Strafsachen in sämtlichen Anklagepunkten des Kindesmissbrauchs für schuldig befunden und zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien reduzierte die Strafe später um zwei Monate. Die Strafhaft verbüßte Seisenbacher dann in der JA Graz-Karlau, womit das Grazer Landesgericht als zuständiges Vollzugsgericht über die bedingte Entlassung zu entscheiden hatte.
Öffentlichkeit reagierte ungläubig
Nicht nur die Judo-Szene, auch weite Teile der Öffentlichkeit hatten ungläubig reagiert, als seinerzeit bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Wien 2013 gegen Seisenbacher Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen aufgenommen hatte. Der Olympiasieger von 1984 in Los Angeles, der vier Jahre später in Seoul seinen Titel erfolgreich verteidigte, war nach dem Ende seiner aktiven Karriere für viele ein Idol geblieben. 1996 wurde ihm das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Er gründete in Wien einen eigenen Judo-Verein, wo es zu Missbrauchshandlungen kam, über die nicht mehr berichtet werden darf, da es sich um gerichtlich abgetane strafbare Handlungen handelt. Die Betroffenen waren zwei in den jeweiligen Tatzeiträumen noch unmündige Mädchen.
Seisenbacher hatte sich dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zu entziehen versucht, indem er sich Ende 2016 in die Ukraine absetzte. Er wurde im August 2017 in einer Wohnung in Kiew festgenommen. Erst im September 2019 wurde er ausgeliefert und an die Wiener Justiz übergeben, wo er in U-Haft genommen wurde. Die in der Ukraine verbrachte Zeit in Haft sowie die U-Haft in Wien wurden Seisenbacher auf die fünfjährige Freiheitsstrafe angerechnet.