Die Causa Ischgl geht in eine weitere Runde. Seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie in Österreich beherrschte der Tiroler Tourismus-Hotspot oft die Schlagzeilen. Den Anfang markierte die Apres-Ski-Bar "Kitzloch" und deren infizierten Barkeeper, es folgte eine lange Quarantäne für das gesamte Paznauntal. Die Justiz startete daraufhin strafrechtliche Ermittlungen, die eingestellt wurden. Zudem wurden zivilrechtliche Klagen eingebracht, wovon ein Urteil aufgehoben wurde.
Touristin klagte Republik Österreich und Hotel
Am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien starteten am Freitag neuerlich Verhandlungen um Schadensersatzklagen. Eine deutsche Touristin klagte dabei nicht nur die Republik Österreich, sondern auch ein Hotel. Sie wirft den Behörden vor, keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen und dem Hotel, sie bewusst über die Coronalage getäuscht zu haben. Die Managerin des Hotels wurde als erste Zeugin befragt.
Managerin zeigte sich ahnungslos
Sie zeigte sich dabei relativ ahnungslos über die Vorgänge in Ischgl im März 2020. So sagte sie etwa, dass sie mit ihrem Bruder, der Obmanns des Tourismusverbands Paznaun - Ischgl ist, im besagten Zeitraum nie über Corona gesprochen zu haben. Der Richter zeigte sich darüber überrascht. Die Frau bekräftigte aber ihre Aussage. Sie habe zwar von der damals dramatischen Coronalage in Norditalien und Fällen in Innsbruck gehört, aber sie habe keine Angst um ihre Gäste und Mitarbeiter gehabt und deswegen sei Corona kein Thema gewesen.
Die Klägerin ist eine Deutsche, die vom 10. bis 12. März 2020 Urlaub in Ischgl gemacht und sich dort mit Corona infiziert hat. Sie hat sich vor der Anreise explizit im Hotel erkundigt, ob alles ok sei und das Hotel habe "wider besseres Wissen erklärt, dass es in Ischgl keine Probleme mit Covid-19 gäbe". Die Anfrage sei am 8. März gewesen, fünf Tage nachdem schon bekannt gewesen sei, dass Isländer in Ischgl an Corona erkrankt seien, sagt der VSV.
Parallel laufen Amtshaftungsklagen
Parallel zu dieser Klage laufen vom Verbraucherschutzverein organisierte Amtshaftungsverfahren gegen die Republik. Der Hauptvorwurf lautet, dass die ersten Corona-Fälle in Ischgl vertuscht und die Öffentlichkeit bewusst getäuscht worden seien. In einer Medieninformation des Landes Tirol vom 5.3.2020 wurde laut VSV wider besseres Wissen behauptet, in Ischgl infizierte Touristen hätten sich erst auf der Heimreise angesteckt. Die Presseaussendung habe der Beruhigung gedient und habe Berichterstattung verhindern sollen. "Und das ist gelungen. Es wurde nicht berichtet", sagte heute VSV-Obmann Peter Kolba. Die Zeugin sagte ihrerseits aus, dass sie bis heute der Meinung sei, die Touristen hätten sich auf der Heimreise angesteckt.
Der Verbraucherschutzverein hatte im September 2020 erste Amtshaftungsklagen eingebracht, das Gericht wies diese aber mit der Begründung ab, dass der Republik für die betreffenden Zeiträume "weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten" sei.
Im Juli hob der Wiener Oberlandesgericht (OLG) dieses Urteil auf, weil es mit Feststellungsmängeln behaftet sei. Die Rechtssache wurde zur Verfahrenergänzung und neuerlichen Entscheidung ans Landesgericht für Zivilrechtssachen zurückverwiesen. Die heutige erste Verhandlung drehte sich aber hauptsächlich um die zusätzliche Klage gegen das Hotel.
Bund will nicht haften, VSV will Tirol klagen
In der Klage gegen die Republik hat die Finanzprokuratur Rekurs gegen die Entscheidung des OLG erhoben. Die Finanzprokuratur -als Anwalt der Republik - ist der Meinung, dass Fehler der Tiroler Behörden nicht der Republik Österreich zurechenbar wären, sondern vielmehr nur das Land Tirol dafür verantwortlich wäre. Daher wären die gegen den Bund gerichteten Klagen abzuweisen.
Der VSV sieht sich dadurch genötigt, zusätzlich das Land Tirol zu klagen, sagte Kolba bei einer Pressekonferenz vor Beginn der ersten Verhandlung. "Um jedoch auf beiden Seiten sinnlose Geldausgaben zu vermeiden", habe er heute Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) vorgeschlagen, im Fall eines Verjährungsverzichtes des Landes Tirol bis zur Klärung der strittigen Rechtsfrage mit einer Klage gegen das Land zuzuwarten. Wenn festgestellt werden sollte, dass der Bund haftet, würde sich eine Klage gegen Tirol erübrigen, so Kolba. Das Land Tirol wollte sich auf APA-Anfrage nicht dazu äußern.