Gravierende Pflegemängel hat die Volksanwaltschaft bei der Prüfung eines Salzburger Seniorenheims aufgedeckt. So fand sie eine "Bewohnerin, die nur mehr 42,5 Kilo wog und bereits so wundgelegen war, dass durch die offene Wunde der Steißknochen frei zu sehen war", heißt es in dem Bericht.
Anlass der unangekündigten Kontrolle am 21. April 2022 war eine Meldung der Bewohnervertretung, die Mitte März an die Volksanwaltschaft und die Aufsichtsbehörde beim Land Salzburg herangetreten war und von pflegerischen Defiziten, anhaltender Personalfluktuation und vergleichsweise hohen Krankenständen sprach. Und all diese Hinweise haben sich dem Bericht zufolge bei der Kontrolle bestätigt: "deutliche personelle Unterbesetzung, eine sehr hohe Anzahl an (Langzeit-)Krankenständen sowie Überlastungssituationen des Personals". Die Kommission sah "gravierende Pflegemängel, die zum Besuchszeitpunkt eine Gefährdung für die (psychische und physische) Unversehrtheit und Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner darstellten" und ortete "dringenden und unverzüglichen Handlungsbedarf".
Frau wog nur noch 42,5 Kilo
Als "besonders dramatisch" wurde über den Fall einer nur mehr 42,5 Kilo schweren Frau berichtet, die unter starken Schmerzen litt. Bei der Beobachtung eines Verbandswechsels wurde "ein massiver Dekubitus mit Beteiligung des Steißknochens und einer etwa zwei Hände großen Hauttasche freigelegt". Vom Wundgeschehen sei bereits Fäulnisgeruch ausgegangen. Der Frau sei vor dem Verbandswechsel weder ein Schmerzmedikament angeboten, noch sei sie nach aktuellen Schmerzen gefragt worden. Es sei auch keine professionelle Reinigung der Wundränder erfolgt. Zudem sei aus der Pflegeaufzeichnung nicht hervorgegangen, wann der Dekubitus mit dem Arzt im Haus zuletzt besprochen worden sei. "Die Kommission stufte die Situation ... als lebensbedrohlich ein und befürwortete einen sofortigen Transfer in eine Krankenanstalt. Wie die Kommission später erfuhr, verstarb Frau N.N. kurze Zeit nach dem Kommissionsbesuch."
"Pflegerische Defizite"
Generell beurteilte die Kommission das Ernährungs-, Schmerz-, Dekubitus- und Wundmanagement des Pflegeheims "in weiten Teilen mangelhaft". "Auch der Umgang mit Mangel- bzw. Unterernährung zeigte pflegerische Defizite und dringenden Handlungsbedarf auf." Dem Bericht zufolge führte die Aufsichtsbehörde zwar mehrmals Kontrollen im Heim durch, habe es aber unterlassen, "Mängel förmlich festzustellen und einen verbindlichen Auftrag zur Behebung bzw. Verbesserung zu erteilen". Nach Ansicht der Volksanwaltschaft wäre das Land aber zu "aufsichtsbehördlichen Maßnahmen" verpflichtet gewesen sei, das heißt, mit dem Heimbetreiber notwendige Schritte zur Behebung der Mängel zu vereinbaren. Sollte dies nicht erfolgen, seien die Maßnahmen durch einen behördlichen Auftrag einzufordern, bei Nichterfüllung der behördlichen Aufträge sei der Betrieb der Pflegeeinrichtung teilweise oder gänzlich zu untersagen.
"Zu wenig Personal"
Der für die Aufsicht verantwortliche LHStv. Heinrich Schellhorn (Grüne) sagte gegenüber Ö1, die Heimaufsicht sei "nah dran" gewesen, habe Empfehlungen ausgesprochen und verbindliche Vereinbarungen mit dem Heimbetreiber getroffen, um die Situation zu verbessern. Es habe aber tatsächlich zu wenig Personal gegeben, was zu Qualitätsproblemen in der Pflege geführt habe. Mit der Träger sei daher eine Reduktion der Bewohnerzahl vereinbart worden, damit das vorhandene Personal die pflegerischen Qualität-Standards einhalten könne.
Volksanwalt Bernhard Achitz sieht neben dem Land aber auch den Bund in der Pflicht: "Um hochwertige Pflege sicherzustellen, braucht es bundeseinheitliche Regelungen für qualitative Mindeststandards sowie bundeseinheitliche Maßstäbe für die Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Länder."
Staatsanwaltschaft ermittelt
Laut "Salzburger Nachrichten" ermittelt inzwischen in der Sache auch die Staatsanwaltschaft Salzburg, und zwar wegen des Verdachts auf "Quälen und Vernachlässigung unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen" und wegen des Verdachts auf Körperverletzung.