In Österreich sind dieses Jahr 31 Wolfsindividuen vor allem in Kärnten, Tirol und mittlerweile auch in Niederösterreich nachgewiesen worden. 225 Tiere wurden von den Wölfen nachweislich in Kärnten gerissen und 258 in Tirol. Darunter waren vor allem Schafe und Ziegen aber auch ein Rind, erklärte Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichzentrums Bär Wolf Luchs. In Vorarlberg wurde ein Schaf getötet und in der Steiermark zwei. Niederösterreich meldete vier Schafsrisse.
In Niederösterreich hat sich 2016 das erste Rudel in Allentsteig gebildet. Wobei sich die Elterntiere bereits 2015 ansiedelten und die Jungtiere und somit das Rudel ein Jahr später kamen. Damals wurde ein weiteres Rudel im Raum Gutenbrunn beobachtet. Nach einer kurzen Pause siedelte sich inzwischen ein neues Rudel dort an. Der Großteil der Wölfe in Österreich sind mobile Tiere. So können sie innerhalb von 24 Stunden 80 bis 100 km weit wandern. Wandertiere sind meist Jungwölfe, die auf der Suche nach einem geeigneten Lebensraum sind. "Dort, wo sich ein Pärchen gefunden und niedergelassen hat, bildet sich das Rudel", erklärte Blaschka.
Die Zahl der Wölfe nehme aktuell sehr stark zu, mit einem exponentiellen Wachstum von ungefähr 33 Prozent pro Jahr, was eine Verdopplung in drei Jahren bedeutet. Mit 64.000 Nutztieren auf Österreichs Almen führe das auch zu Konflikten, erklärte BOKU-Wildtierbiologe Klaus Hackländer in der ORF-"ZIB2" am Donnerstagabend. "Jetzt gilt es natürlich umzudenken und ein neues Leben anzufangen, wo man mehr auf Herdenschutz setzt, aber wo man auch bereit ist zu sagen, es ist zwar eine streng geschützte Tierart, aber im Einzelfall muss ich jene, die ein unerwünschtes Verhalten zeigen, ernste wirtschaftliche Schäden mit sich bringen durch die Risse, entnehmen", führte Hackländer aus.
Das Herdenschutzgesetz für den Wolf stammt allerdings aus den 1970er-Jahren und wurde in den 1990-Jahren durch die FFH-Richtlinie (Flora Fauna Habitat-Richtlinie) forciert. "Eigentlich müssten die Gesetze längst angepasst werden. Die Gesetze hinken der Realität hinterher und in diesem Dilemma befinden wir uns jetzt: Wir haben eine streng geschützte Tierart, die aber nicht mehr gefährdet ist", konstatierte Hackländer.
Abschussfreigaben gestoppt
Erst am Dienstag wurden Abschussfreigaben in Tirol gestoppt. Der Bescheid, der zwei Wölfe betraf, wurde zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen. Im Falle eines zur Jagd freigegebenen Problemwolfs im Bezirk Innsbruck-Land wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde zuerkannt, teilte das Land Tirol am Dienstag mit. "Der Wolf wird in Österreich in den jeweiligen Jagdgesetzen der Bundesländer geregelt", so Blaschka. Sowohl Jagdgesetze als auch Naturschutzgesetze tragen zu diesen Entscheidungen bei.
Die Naturschutzorganisation WWF Österreich kritisierte den Abschussbescheid in Tirol bereits Anfang August als "kurzsichtigen Schnellschuss" und forderte dessen umgehende Rücknahme. Stattdessen plädierte die Organisation für eine Herdenschutzoffensive. "Das Wolfspärchen ist seit einem Jahr und auch während der Paarungszeit gemeinsam im Grenzgebiet Osttirol-Kärnten unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass beide derzeit ihre Jungtiere aufziehen. Das ist weder mit dem Tierschutzgesetz noch mit dem Jagdethos zu vereinbaren", sagte WWF-Wolfsexperte Christian Pichler.
Laut WWF sollen statt Entscheidungen über Abschussgenehmigungen Nutztierhalter verstärkt informiert und im Aufbau von Schutzmaßnahmen unterstützt werden. "Insbesondere Behirtung und Schutzhunde halten im alpinen Raum effektiv Wölfe ab. Zugleich ermöglicht eine konsequente Herdenführung ein besseres Weidemanagement", appellierte Wolfsexperte Pichler.
Wolfsexperte Hackländer erinnerte in der ORF-"ZIB2" am Donnerstag an eine Zeit mit weniger technischen Möglichkeiten wie heutzutage. "Vor 150 Jahren war das ja auch nicht anders. Da gab es den Ziegenpeter und den Großvater, die haben aufgepasst auf die Herde. Das ist heute mit unserem Lohnniveau eine große Herausforderung. Aber wir können die Tiere nicht mehr unbewacht lassen, weil dann kommt es zu Übergriffen", so der Experte.
Österreich ist bezüglich der Wolfsansiedelung ein zweigeteiltes Gebiet. Im Bereich nördlich der Donau siedeln sich Tiere über den Weg aus Tschechien an, im südlichen Bereich wandern die Wölfe aus der italienischen Alpenregion ein. "Deshalb tragen dieses Jahr die Bundesländer Kärnten und Tirol die Hauptlast", erklärte Blaschka. "Im italienischen Alpenbereich gibt es bereits seit fast 30 Jahren Wölfe. Da die Lebensräume dort knapp werden, wandern die Tiere im Süden nach Österreich", so Blaschka. Es gehe darum, die Wolfssituation in einer Koexistenz in den Griff zu bekommen. Die Frage im Umgang mit dem Wolf sei aber weiterhin sehr schwierig. "Es gilt einen Umgang zu finden nicht nur für den Wolf, sondern auch für Bär und Luchs", führte Blaschka aus.