Am Wiener Landesgericht hat am Mittwoch ein Betrugsprozess um einen Wiener Arzt begonnen, dem laut Anklage eine serbische Familie besonders übel mitgespielt hat. Der Mediziner und seine Lebensgefährtin gewährten der Familie ab Herbst 2020 laufend Darlehen für ein vermeintlich lukratives Geschäftsmodell, wofür sich der Mediziner ursprünglich eine Rendite zwischen fünf und acht Prozent erwartete. In Wahrheit lösten sich bis Februar 2022 1,1 Millionen Euro in Luft auf.

"Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Wir haben uns als Teil der Familie gesehen und überhaupt kein Misstrauen gehabt", erkannte der Arzt nun vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Krainz). Auf die Frage, weshalb er nicht spätestens im vergangenen August Verdacht schöpfte, als der Vater der Familie vorgab, in Serbien Opfer eines Raubüberfalls geworden zu sein und im Zusammenhang damit weiteres Geld für seine Spitalsbehandlung, seine angeschossenen Leibwächter sowie Schmiergeldzahlungen für Polizei und Ärzte verlangte, erklärte der Wiener Arzt: "Ich hab' mir nicht eingestehen können, dass alles ein Fake war." Die Story mit dem Überfall sei "unglaublich gut gemacht" gewesen und ihm "wirklich glaubwürdig" verkauft worden, indem er etwa ein Video erhielt, das den einbandagierten Vater in einem Spitalsbett zeigte. "Er hat sogar Hämatome im Gesicht gehabt", betonte der Arzt als Zeuge.

Angeklagt war der älteste Sohn des Familienoberhaupts, der festgenommen worden war, nachdem der Arzt Anzeige erstattet hatte. Der 23-Jährige hielt sich zu diesem Zeitpunkt - anders als sein jüngerer Bruder und die Eltern - in Wien auf. Als der Rest der Familie davon Wind bekam, tauchten alle unter. Von ihnen fehlt jede Spur.

Der Arzt hatte ursprünglich den jüngsten Sohn der Familie über Vermittlung eines Kollegen als Patienten kennengelernt. Da der Bursch nicht versichert war und deswegen nicht stationär in ein Spital aufgenommen werden wollte, "habe ich ihn in meiner Freizeit behandelt, weil er mir sympathisch war", verriet der Wiener Facharzt. Rasch lernte er die weiteren Familienmitglieder kennen, die ihn offenbar gezielt um den Finger wickelten, indem sie den Arzt samt Freundin wiederholt zum Abendessen einluden und schließlich sogar darauf bestanden, dass gemeinsam Weihnachten gefeiert wurde. Man habe ihm immer wieder erklärt, "dass wir jetzt zur Familie gehören", schilderte der Arzt.

Lukratives Geschäftsmodell

Das machte sich für die Leute insofern bezahlt, als sich dem Mediziner laufend Darlehen für ein vermeintlich lukratives Geschäftsmodell entlocken ließen. Der Vater behauptete, sein ältester Sohn kaufe in West- und Mitteleuropa in großem Stil "Auto-Pakete" an, die Fahrzeuge würden dann nach Serbien geschafft und am Balkan gewinnbringend weiterverkauft. Als die vermeintlich neuen Freunde des Arztes immer mehr Geld benötigten, überließ ihnen dessen Partnerin sogar ihre Golddukaten und Goldmünzen-Sammlung.

Der Arzt selbst borgte sich am Ende Bares von seiner Tante aus, nachdem ihm geschworen worden war, nach einer letzten Hilfestellung werde sich "Opi" - das angeblich reichlich mit Latifundien in Serbien ausgestattete älteste Familienmitglied - von seinen Liegenschaften trennen und die angesammelten Schulden zurückzahlen. Daraus wurde aber dann doch nichts, denn nun wurde dem Wiener Arzt vorgemacht, die serbische Kriminalpolizei hätte die gesamte Familie einer Razzia unterzogen und dabei auch sein ganzes Geld beschlagnahmt.

"Dem Ganzen sind all unsere Ersparnisse zum Opfer gefallen", zog der in Medizinerkreisen bekannte Arzt vor dem Kadi Bilanz. Der Angeklagte - eigenen Angaben zufolge hat er vier bis fünf Jahre die Volksschule besucht und ansonsten keinen Bildungsabschluss vorzuweisen - bekannte sich teilweise schuldig. "Er war in den ersten sechs, sieben Monaten nicht involviert", meinte Verteidiger Alexander Philipp. Zu seinem konkreten Tatbeitrag gab der 23-Jährige im Anschluss zu Protokoll: "Ich habe insgesamt 100.000 Euro für meinen Papa abgeholt und in meiner Wohnung sind dem Papi 130.000 bis 140.000 Euro übergeben worden."

Bezüglich des inszenierten Raubüberfalls auf den Vater habe dieser "mir erzählt, dass ich da mitmachen soll. Das war alles komisch. Da hab' ich gemerkt, dass er nix zurückzahlen kann", sagte der 23-Jährige. Die Verhandlung wurde zur zeugenschaftlichen Einvernahme der Lebensgefährtin des Arztes vertagt.