Vergangene Woche hat der Dachverband der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Österreich wegen akuten Personalmangels Alarm geschlagen. In drei Bundesländern wurden deshalb sogenannte Gefährdungsmeldungen an die Landesregierungen geschrieben - in Wien, der Steiermark und Salzburg. Mehrere Kinderkrisenzentren waren zuletzt geschlossen. Ein APA-Rundruf in den Bundesländern bestätigte den zunehmenden Fachkräftemangel im Sozialbereich. Eine Ausnahme bildet nur das Burgenland.

Dort gebe es beim Personal in den Krisenzentren derzeit noch keine größeren Probleme. Grundsätzlich kenne man die Problematik - "bisher aber vor allem aus anderen Bundesländern", hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Soziallandesrat Leonhard Schneemann (SPÖ). Dennoch gebe es regelmäßig Gespräche mit den Institutionen, um einem Personalmangel entgegenzuwirken. Es würden Vorkehrungen getroffen, um sicherzustellen, dass die Burgenländer, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen.

In Wien sind derzeit von 16 Krisenzentren zwei nicht im Betrieb. Eines wird Mitte August wiedereröffnet, das andere im Laufe des Herbstes, sagte Jugendamtssprecherin Andrea Friemel der APA. Im Sommer sei es immer so, dass neue Absolventen zur Verfügung stehen, hier wird Personal rekrutiert. Es ist "natürlich eine herausfordernde Situation, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die offenen Stellen in diesem attraktiven Berufsfeld nachbesetzen können", sagte Friemel. 40 Stellen sind derzeit unbesetzt. Im stationären und ambulanten Bereich sind in der Wiener Kinder- und Jugendhilfe 670 Sozialpädagoginnen und -pädagogen tätig, dazu kommen 420 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. In den 16 Krisenzentren wurden im Vorjahr 925 Kinder- und Jugendliche aufgenommen. In Wohngemeinschaften wurden über 1.950 Kinder und Jugendliche betreut.

In der Steiermark hat das Kinderkrisenzentrum Krisun in Kapfenberg nach Kündigungen monatelang keine Sozialpädagoginnen und -pädagogen gefunden, es wurde dann ein Aufnahmestopp verhängt. Aus dem Büro der steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) hieß es auf APA-Nachfrage, dass der Arbeitskräftemangel auch im Sozialbereich spürbar sei. Man arbeite allerdings an der "Optimierung des internen Personaleinsatzes". So sei die Angelegenheit ein Schwerpunktthema beim Sozialtag des Landes Steiermark im September gemeinsam mit AMS und Bildungsdirektion. Weiters erstelle man eine Imagekampagne und sei in Abstimmung mit der Gewerkschaft sowie den betroffenen Dachverbänden. "Inhaltlich ist zudem zu sagen, dass die Sozialabteilung hinsichtlich der Anerkennung von Qualifikationen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten flexibel vorgeht, aber die entsprechenden Qualitätsstandards nicht ignoriert werden können - gerade in der Kinder- und Jugendhilfe ist dies wichtig, weil es sich um Kinder und Jugendliche in besonders schwierigen Lebenssituationen handelt", hieß es aus dem steirischen Sozialressort. 2021 befanden sich laut den Zahlen des Landes 909 Kinder und Jugendliche in der Steiermark in stationären Einrichtungen und 814 in Pflegefamilien. Insgesamt wurden 6.965 Kinder und Jugendliche durch die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt.

Es gebe generell einen Personalmangel in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, nicht nur in Krisenzentren, war auf Anfrage im niederösterreichischen Landhaus in St. Pölten zu erfahren. Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) habe deshalb bereits mit dem Chef des AMS NÖ, Sven Hergovich, darüber gesprochen, dass Berufsgruppen, die Betreuungsdienste leisten können, in die entsprechende Mangelliste aufgenommen werden.

In Oberösterreich mussten bisher keine Einrichtungen geschlossen, allerdings könne "die eine oder andere mobile Zusatzleistung infolge Personalmangels nicht immer und unverzüglich erbracht werden", hieß es aus dem zuständigen Ressort von Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) zur aktuellen Lage. Weil es immer schwieriger werde, Stellen in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nachzubesetzen, würden die Träger reges Recruiting betreiben und das Land habe eine Werbekampagne für den entsprechenden Fachhochschullehrgang gestartet. Mittlerweile seien die von 60 auf 85 aufgestockten Ausbildungsplätze alle belegt.

Der Fachkräftemangel werde auch in Kärnten zunehmend zu einer Herausforderung, hieß es aus dem Büro von LHStv. Beate Prettner (SPÖ). In Kärnten mussten bisher allerdings keine Kinder oder Jugendlichen, die eine Unterbringung benötigen, aufgrund fehlenden Personals abgewiesen werden, es konnte also für alle, die eine außerfamiliäre Betreuung brauchen, ein geeigneter Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt werden. Bis dato musste in Kärnten auch keine Einrichtung bzw. Gruppe geschlossen werden, lediglich das Haus Antonius in Treffen am Ossiacher See schloss von sich aus eine Gruppe. Mit Stand Februar 2022 waren in Kärnten etwa 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sozialpädagogischen Einrichtungen und bei der Familienintensivbetreuung tätig. Davon arbeiten etwa 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 48 stationären Einrichtungen.

In Tirol gibt es fünf Kriseneinrichtungen für Kinder, wobei laut der Abteilung Inklusion und Kinder- und Jugendhilfe des Landes in den vergangenen Jahren "weder Schließungen von Kriseneinrichtungen noch Aufnahmestopps verzeichnet" worden waren, hieß es auf APA-Anfrage. Die Behörde räumte zwar ein, dass es in diesem Arbeitsbereich einen Fachkräftemangel gäbe. Dennoch habe man bei Nachbesetzungen und Neueinstellungen "stets geeignete Fachkräfte" gefunden. Die Betreuung sei daher "gleichbleibend zugänglich für die Betroffenen" gewesen.

In der Kinder- und Jugendhilfe in Vorarlberg wird der Fachkräftemangel wie in anderen Bundesländern zunehmend spürbar, Angebot musste aber noch keines geschlossen werden. Das erklärte die Landespressestelle auf APA-Anfrage. Aufgrund der Corona-Pandemie sei der stationäre Bereich nach wie vor besonders belastet. Im ambulanten Bereich warteten bereits zehn Kinder auf Begleitung, sagte Alexandra Wucher, Geschäftsführerin des Vorarlberger Kinderdorfs, gegenüber den "VN". Die Pandemie habe Spuren hinterlassen und die Mitarbeiter sehr stark beansprucht, hieß es. "Das führt zu einer höheren Fluktuation in den Teams und es ist zunehmend schwierig Stellen nachzubesetzen", so das Land. "Die Situation ist prekär", so Wucher, die aber bestätigte, dass der Bedarf im stationären Bereich noch zu decken sei. Das Vorarlberger Kinderdorf ist die größte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung im Land. Die Organisation unterhält präventive, ambulante, teilstationäre und stationäre Angebote für rund 3.000 Kinder und Jugendliche sowie deren Familien. Die zuständige Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne), die Fachabteilung im Landhaus und Vertreter der privaten Einrichtungen arbeiteten bereits an Strategien gegen den Fachkräftemangel, unterstrich die Landespressestelle. "Es sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe wieder attraktiver zu machen", wurde betont. Wucher berichtete von wenigen Bewerbungen auf offene Stellen, ein kürzlich erfolgtes Treffen mit Wiesflecker, an dem Vertreter aller Einrichtungen teilnahmen, gebe aber Hoffnung: "Man hat uns gehört und nimmt das Problem ernst."