Seit Freitagnachmittag versammeln sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken. Blumen werden angelegt, Kerzen entzündet. Die Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr hatte in ihrer stillgelegten Praxis am Attersee Suizid begangen – nach monatelangen massiven Drohungen durch unbekannte Impfgegner.

Am Montag ist eine Gedenkveranstaltung für Kellermayr in Wien geplant. Daniel Landau, Organisator und Initiator von #YesWeCare, gab auf Twitter bekannt, eine Veranstaltung für 20 Uhr am Stephansplatz angemeldet zu haben. Auch in Graz wurde eine Mahnwache offiziell angemeldet: ab 20 Uhr am Hauptplatz. Kerzen sollen mitgebracht werden.

Mahnende Worte der Politik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief in einer Twitter-Botschaft dazu auf, "dieses Einschüchtern und Angst machen" zu beenden: "Hass und Intoleranz haben in unserem Österreich keinen Platz. Finden wir am Ende immer einen Weg, friedlich miteinander zu leben. Stärken wir den Zusammenhalt."

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), dessen Rücktritt die Ärztin vor zwei Tagen noch gefordert hatte, reagierte ebenfalls bestürzt auf die Nachricht vom Tod Kellermayrs: Sie habe "ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität. Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören", schrieb er auf Twitter.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) reagierte ebenfalls per Tweet auf den Tod der Ärztin, dieser zeige, "dass wir Hass und Intoleranz in unserer Gesellschaft keinen Raum geben dürfen. Das respektvolle Miteinander und der soziale Zusammenhalt müssen einmal mehr angesichts dieses tragischen Ereignisses im Vordergrund stehen". Tief betroffen zeigte sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, selbst Medizinerin, auf Twitter: "Sie vertrat einfach ihren ärztlichen Standpunkt u. wurde Opfer von Hass. Ärztinnen, wie sie es war, brauchen Schutz u. Unterstützung."

"Zutiefst schockiert" zeigt sich die Österreichische Ärztekammer von der Nachricht des Ablebens der Kollegin. Dieses tragische Ereignis würde in erschreckender Weise zeigen, welche Folgen Hass im Netz haben können, so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in einer Aussendung. Schon seit Längerem sei das medizinische Personal in Spitälern und Ordinationen einer stetig steigenden Gewalt ausgesetzt.

Trauer um Ärztin Lisa-Maria Kellermayr
Trauer um Ärztin Lisa-Maria Kellermayr © APA/HERMANN WAKOLBINGER

Ermittlungen laufen weiter

Die Staatsanwaltschaft Wels hatte im Juni das Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Verdächtigen eingestellt – mit der Begründung, man sei nicht zuständig, sondern deutsche Behörden. Eine Hackeraktivistin machte allerdings zwei Deutsche ausfindig, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen.

In Österreich ermittelt die Polizei weiter gegen unbekannte Täter, weil davon auszugehen sei, dass die Vorwürfe mehrere Personen betreffen, wie es seitens der Ermittler heißt. An diesen Ermittlungen ändere auch der Tod der Frau nichts, man warte nach wie vor auf den Abschlussbericht der Polizei, so eine Staatsanwaltschaftssprecherin.

Kritik an Ermittlungen

Die Journalistin Ingrid Brodnig twitterte neben Beileidswünschen: "Auch die Exekutive soll das eigene Handeln oder Nicht-Handeln in diesem Fall aufklären müssen." Die Polizei war im Zuge der Ermittlungen in die Kritik geraten, zu wenig getan zu haben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich wies dies gegenüber der APA zurück: Man sei seit November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht, ihr Schutz zu bieten. Man habe "alles getan, was möglich ist", sowohl was Sicherheit als auch was die Ermittlungen betreffe. Letztere seien noch im Laufen, bestätigte er.

Die oberösterreichische Gesundheitslandesrätin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete in einer Aussendung nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch rasche Schritte, "denn Hass, Intoleranz und Gewalt sind nie die Antwort, sondern stets die hässliche Seite der Gesellschaft. In einem vereinten Europa sollte auch eine Strafverfolgung für Delikte dieser Art grenzüberschreitend möglich sein. Vielmehr noch, sie müssen möglich sein".

Auch viele internationale Medien berichteten über das Ableben der Ärztin.