Freitagfrüh wurde die Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr tot in ihrer Praxis in Seewalchen am Attersee aufgefunden. Fremdverschulden wird ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Wels bestätigte einen Suizid. Es seien Abschiedsbriefe gefunden worden, zu deren Inhalt man nichts sagen wollte. Es wurde keine Obduktion angeordnet.
Die Ärztin war in die Öffentlichkeit gegangen, weil sie von Impfgegnern massiv bedroht worden sei. Deshalb musste sie ihre Ordination "aufrüsten" – sie hatte rund 100.000 Euro in Sicherheitsmaßnahmen und zeitweise auch Security-Mitarbeiter investiert. Schließlich hatte sie ihre Praxis mit Ende Juni geschlossen, weil die Situation, vor allem auch für ihre Mitarbeiter, nicht mehr tragbar gewesen sei.
Noch am Donnerstag hatte die Ärztin ihre Homepage aktualisiert: "Aus heutiger Sicht kann ich keine Angaben darüber machen, ob, wann oder wie ein normaler Betrieb wieder aufgenommen werden kann." Und weiter: "Alle Patienten, die dies wünschen, können ab 16. August ihre Befunde anfordern."
"Dieser Hass muss endlich aufhören"
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) drückte Kellermayrs Familie am Freitag sein Beileid aus. Die Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien "brutale Realität" gewesen. "Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören", sagt Rauch.
"Zutiefst schockiert" zeigt sich die Österreichische Ärztekammer von der Nachricht des Ablebens der Kollegin aus Seewalchen am Attersee. Dieses tragische Ereignis zeige in erschreckender Weise, welche Folgen Hass im Netz haben kann, so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in einer ersten Reaktion. Schon seit Längerem sei das medizinische Personal in Spitälern und Ordinationen einer stetig steigenden Gewalt ausgesetzt. Der aktuelle tragische Fall zeige einmal mehr die Notwendigkeit von Unterstützung für die im Gesundheitswesen Tätigen, sowohl was den direkten Schutz betrifft als auch Angebote von Supervision und Krisenbewältigung im Falle von Bedrohungen. "Unsere Gedanken sind jetzt bei den Angehörigen und Freunden der Kollegin, denen ich namens der österreichischen Ärzteschaft meine tief empfundene Anteilnahme ausspreche", so Steinhart.
Die Journalistin Ingrid Brodnig twitterte neben Beileidswünschen: "Auch die Exekutive soll das eigene Handeln oder Nichthandeln in diesem Fall aufklären müssen." Die Polizei war im Zuge der Ermittlungen in die Kritik geraten, zu wenig getan zu haben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich wies dies gegenüber der APA zurück: Man sei seit November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht, ihr Schutz zu bieten. Man habe "alles getan, was möglich ist", sowohl was Sicherheit als auch was die Ermittlungen betreffe. Letztere seien noch im Laufen, bestätigte er.
Am Freitagnachmittag haben sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien versammelt, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken. Unter dem Motto "Yes we care" ist auch am Montagabend ab 20 Uhr eine Gedenkveranstaltung für die Ärztin am Wiener Stephansplatz geplant. Angemeldet bei der Wiener Polizei hat sie Daniel Landau, Bruder von Caritas-Präsident Michael Landau. Die Gedenkveranstaltung unter dem Motto "Yes we care" will auch der Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart unterstützen.
Monatelange Bedrohungen
Bereits im November 2021 bekam die Ärztin eine Drohung, wie die Landespolizeidirektion später bestätigte. Darin sei sie von Impfgegner mit "Abschlachten", mit "Foltern", mit dem Tod und dem Tod ihrer Mitarbeiter bedroht worden. Seitdem sei sowohl im Internet als auch im Darknet ermittelt worden, rechtfertigte sich die Polizei später, als sie wegen angeblicher unzureichender Ermittlungen in die Kritik geraten war. Von der ersten Anzeige an sei das Opfer intensiv betreut worden, wird versichert. Sowohl privat als auch in der Ordination hätte sie Personenschutz erhalten.
Doch die Allgemeinmedizinerin lebte in Todesangst, sie beauftragte private Sicherheitsfirmen, ließ ihre Praxis mit modernster Technologie aufrüsten und von Securitymitarbeitern bewachen. Rund 100.000 Euro investierte die Ärztin in die Maßnahmen. Und vor allem: Sie ging in die Öffentlichkeit, um auf das Geschehen aufmerksam zu machen, gab Interviews, dokumentierte alles in den sozialen Medien.
Deutsche Hackerin "ermittelte"
Die Staatsanwaltschaft Wels hatte im Juni das Ermittlungsverfahren gegen einen Verdächtigen eingestellt. Eine deutsche Hacker-Aktivistin will aber nach eigenen Angaben einen Mann ausfindig gemacht haben, der die Droh-E-Mails verfasst haben soll. Man werde bei der zuständigen deutschen Behörde Anzeige erstatten und ihr die Namen der Verdächtigen übermitteln, hatte Christoph Weber, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wels, Anfang Juli den Oberösterreichischen Nachrichten gesagt.
"Ich bin nicht selber Schuld. Es ist, als wie wenn man ertrinkt und niemand will einem helfen", sagt die Ärztin in einem Interview mit dem "Kurier", in dem sie verneinte, dass sie Personenschutz seitens der Polizei bekommen hatte.
Angefangen habe alles nach einem Posting von ihr zu einer Demonstration von Coronamaßnahmengegnern beim Krankenhaus Wels, wo sie darauf hinwies, dass Personen die Rettungsausfahrt versperren würden. Die Polizei und auch das Krankenhaus hatten damals daraufhin mitgeteilt, dass die Ausfahrt zu keiner Zeit beeinträchtigt gewesen sei. "So bin ich in den Telegram-Gruppen der Coronaleugner als Lügnerin angekommen", so K.