Am Landesgericht Salzburg ist am Donnerstag ein schwerer Fall von Gewalt in der Erziehung verhandelt worden. Vier Kinder im Alter von heute 16 bis 23 Jahren sollen über Jahre hinweg von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter misshandelt und wegen Kleinigkeiten drakonisch bestraft worden sein. Die zwei Angeklagten wiesen im Prozess (Vorsitz Anna-Sophia Geisselhofer) die Vorwürfe entschieden zurück und meinten, sich die belastenden Aussagen der Kinder nur schwer erklären zu können.
Der Mann ist der leibliche Vater der Kinder. 2006 kam es zur Scheidung von der Mutter, der Angestellte erhielt das alleinige Sorgerecht und zog die Kinder zunächst alleine auf. 2008 zog seine neue Lebensgefährtin bei ihm ein. Nach der Hochzeit sollen die beiden dann einen Erziehungsstil gepflegt haben, der laut Staatsanwältin Ricarda Eder dazu geeignet war, die körperliche und psychische Integrität der Kinder zu beeinträchtigen.
So soll es mehrfach die Woche Ohrfeigen gegeben haben. Kinder wurden die Treppe hinunter gestoßen, einer der Buben einen Tag lang mit Klebeband gefesselt. Dazu kamen Kniebeugen und das stundenlange Stehen wie Zinnsoldaten, teilweise bei Kälte im Freien. Als Strafe wurden die Kinder tagelang in ihre Zimmer gesperrt, außerdem soll zumindest ein Sohn für mehrere Stunden nackt an die Wand gestellt worden sein. Davon machten die Eltern Fotos und drohten, die Bilder Freunden der Kinder zu zeigen. Zudem soll der Vater die Kinder mehrmals mit eiskaltem Wasser abgeduscht und den Kopf eines Sohns öfter in die volle Regentonne gedrückt haben.
"Mangelndes Urvertrauen"
Die Anklage lautet auf "Fortgesetzte Gewaltausübung" (§107b StGB). Sie basiere auf den glaubhaften Angaben der Opfer und werde von Zeugen gestützt, sagte Staatsanwältin Eder. Laut einem Gutachten sei nicht abschätzbar, wie die Folgen für die Kinder einmal aussehen werden. "Das mangelnde Urvertrauen wird den Kindern irgendwann einmal zum Nachteil gereichen", zitierte sie aus dem Papier. Wegen der langen Dauer der Übergriffe von 2009 bis 2018 und weil die Kinder noch unmündig waren, beträgt der Strafrahmen fünf bis 15 Jahre. Wie Eder sagte, sei den Kindern auch gedroht worden, in ein Heim zu kommen, sollten sie die Familie gegenüber dem Jugendamt nicht als perfekt darstellen.
Sowohl der Vater wie die Stiefmutter - beide sind unbescholten - bekannten sich heute vor Gericht als nicht schuldig. "Ich liebe - obgleich diese Anklage da ist - meine vier Kinder. Aber ich verstehe hier viele Sachen nicht", sagte der Mann. Er und seine Frau hätten als Strafen meist Fernseh- und Handyverbote verhängt. Von seiner eigenen Mutter habe er übernommen, die Kinder ein paar Kniebeugen machen zu lassen, wenn ihnen die Bewegung fehlte oder sie als Strafe kurz wie Zinnsoldaten im Raum stehen zu lassen. "Damit sie überlegen können, was sie angestellt haben. Aber das maximal 15 Minuten lang."
Anwalt verlangt Freispruch
Im Leben seiner Kinder habe es nur zwei Ohrfeigen gegeben, und diese nicht aus Gehässigkeit oder Routine. Einmal, 2004, sei seine Ex-Frau dafür verantwortlich gewesen, 2012 seine neue Frau, weil sich ein Sohn damals völlig verantwortungslos verhalten habe. Der Verteidiger des Paares meinte, dass die Familie 16 Jahre lang von einer Expertin des Jugendamts begleitet wurde. "Die hat nichts davon gemerkt, obwohl sie ausdrücklich auf überstrenge Erziehungsmethoden hingewiesen worden ist." Zudem habe eins der vier Kinder ausgesagt, das was die Geschwister sagen, stimme nicht. Der Anwalt ging heute von einem Freispruch für seine Mandanten aus.
Die Stiefmutter, sie arbeitet in einer Kinderbetreuungseinrichtung, räumte heute die Ohrfeige ein. Ansonsten verneinte sie jedes einzelne ihr vorgehaltene Delikt. Besonders entrüstet wiesen die beiden Angeklagten zurück, dass sie ihre Kinder nackt fotografiert hätten. "Das ist niemals vorgekommen. Ich glaube, dass ich einfühlsam mit den Kindern umgegangen bin."
Wie sie sich die Anschuldigungen dann erkläre? Eine Tochter sei immer eifersüchtig gewesen, sagte die Frau. "Das habe ich gespürt. Sie hat sich immer zurückgesetzt gefühlt. Sie hat von mir am wenigsten Zeit und Aufmerksamkeit bekommen." Sie glaube, dass die Tochter ihre Geschwister beeinflusst hat. Der Vater hatte heute hingegen seine Ex-Frau im Verdacht. "Sie hat den Kindern den Kopf verdreht", sagte er im Prozess. Unklar ist, ob heute noch ein Urteil fällt.