Trotz der Debatte über eine Zeitenwende in der Sicherheitspolitik in Europa bleiben Österreicher und Schweizer der Neutralität treu. Je 71 Prozent geben in der neuesten Umfrage des Österreichischen Gallup-Instituts (in Kooperation mit der Gallup Schweiz AG) an, dass es für die Sicherheit ihres Landes besser sei, Neutralität zu wahren. Für einen NATO-Beitritt spricht sich eine Minderheit von 16 Prozent (Österreich) bzw. 14 Prozent (Schweiz) aus.
Das Konzept der Neutralität erhält in beiden Ländern in der Altersgruppe über 50 Jahre am meisten Zuspruch. "Das Beharren an der Neutralität erklärt sich zum Teil daraus, dass diese fest in der nationalen Identität der beiden Länder verankert ist und als Beitrag zu einem sicheren und stabilen Europa wahrgenommen wird", führt die Leiterin des Gallup-Instituts, Andrea Fronaschütz, in einer Aussendung am Donnerstag aus.
Neutralität als Teil der Identität
86 Prozent der Österreicher und 88 Prozent der Schweizer sind der Meinung, dass die Neutralität Teil der Landesidentität ist, für 73 bzw. 76 Prozent trägt sie zur Sicherheit und Stabilität in Europa bei. Etwas häufiger als in Österreich sieht man in der Schweiz die Rolle der Neutralität in der Erhaltung des Weltfriedens (64 Prozent in der Schweiz und 58 in Österreich).
Das Verständnis der Neutralität schließt sowohl in der österreichischen als auch in der Schweizer Bevölkerung eine Reihe von nichtmilitärischen Aktivitäten ein. Für je drei Viertel ist die Neutralität mit der Beteiligung an unbewaffneten Friedensmissionen vereinbar. 76 Prozent der Bevölkerung in Österreich und 67 Prozent in der Schweiz meinen, dass ein neutrales Land eine klare Position gegen Aggression in internationalen Konflikten beziehen darf.
Waffenlieferungen nicht vereinbar
Die Beteiligung an bewaffneten Friedensmissionen steht für die Bevölkerung beider Länder hingegen weniger in Einklang mit der Neutralität (47 Prozent in Österreich und 50 Prozent in der Schweiz). Die Waffenlieferung in Kriegsgebiete gilt in beiden Ländern als nicht mit der Neutralität vereinbar (78 Prozent in Österreich und 69 Prozent in der Schweiz).
Einig sind sich Österreicher und Schweizer auch darin, dass man als neutraler Staat aktive Friedenspolitik betreiben und als Vermittler in internationalen Konflikten auftreten muss (je 78 Prozent). Einen deutlichen Unterschied gibt es in der Sicht auf das eigene Militär. Österreich ist aus Sicht der eigenen Bevölkerung ein militärisches Leichtgewicht.
Verteidigungsfähigkeit derzeit "schlecht"
Der Aussage, dass man militärisch in der Lage sein soll, die Neutralität gegen Angriffe von außen zu verteidigen, pflichten 69 Prozent der österreichischen und 73 Prozent der Schweizer Bevölkerung bei. 78 Prozent der Österreicher und 52 Prozent der Schweizer meinen, dass ihr Land nicht ausreichend gegen militärische Angriffe aus dem Ausland gerüstet ist. In Österreich fordern 49 Prozent und in der Schweiz 38 Prozent der Bevölkerung eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
"Beide Länder geben damit ein klares Bekenntnis zur 'bewaffneten' Neutralität ab. Die Realität wird diesem Anspruch allerdings nicht gerecht - der aktuellen Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes wird, insbesondere in Österreich, ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Dass sich die Österreicher stärker als die Schweizer für ein höheres Militärbudget aussprechen, ist somit nur schlüssig", so Fronaschütz.