Österreich hinkt bei der Erreichung seiner "ambitionierten" Klimaneutralität bis 2040 nach Einschätzung der EU-Kommission deutlich hinterher. Die geplanten Reduktionen an Treibhausgas-Emissionen seien auch nicht vereinbar mit Österreichs bestehenden Verpflichtungen bis 2030, teilte die Brüsseler Behörde am Montag im Rahmen des Europäischen Semesters mit. Selbst unter Berücksichtigung zusätzlicher Maßnahmen laufe Österreich Gefahr, seine Ziele um mehrere Prozentpunkte zu verfehlen.
Konkret spricht die EU-Kommission dabei von der Verpflichtung Österreichs, die CO₂-Emissionen um 36 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Das betrifft den Bereich außerhalb des Emissionshandels, darunter fallen unter anderem Gebäude und Verkehr. Hier könnte Österreich nach derzeitigem Stand um etwa neun Prozentpunkte am Ziel vorbeirauschen, so die EU-Behörde. Noch gar nicht eingerechnet sind die geplanten zusätzlichen Anstrengungen der EU, um dem "Green Deal" gerecht zu werden. Zu erwarten ist, dass im Zuge dessen Österreichs Reduktionsverpflichtung für das Jahr 2030 von minus 36 auf minus 48 Prozent CO₂-Reduktion wächst. Umso größer ist dann die verbleibende Lücke.
Mehr Alternativen zum Auto
"Die Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen wird besonders entscheidend für den Übergang zur Kohlenstoffneutralität", betonte die EU-Kommission weiter. Ihrer Ansicht nach braucht es "weitere Mobilitätslösungen und Alternativen zur Autonutzung" wie etwa den Ausbau des öffentlichen Verkehrs insbesondere in abgelegenen, ländlichen Gebieten. Die Anstrengungen zur weiteren Dekarbonisierung und Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen könnten ebenfalls verstärkt werden, heißt es in dem Bericht weiter.
Regelmäßig prüft die EU-Kommission die Wirtschafts-, Budget- und Sozialpolitik der Regierungen und erteilt gezielte Ratschläge für Korrekturen. Dieses sogenannte Europäische Semester soll dazu beitragen, die Politik der EU-Staaten zu koordinieren. Zu große Budgetdefizite und Schuldenberge, aber auch Reformstau sollen vermieden werden.
Österreichs Wirtschaft hat sich nach Ansicht der EU-Kommission zwar von der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg erholt, das Wachstum verliert allerdings an Schwung. Der reale Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt schätzungsweise heuer 3,9 Prozent, 2023 1,9 Prozent. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine stelle ein Risiko für österreichische Exporte dar und erhöhe die Unsicherheit der wirtschaftlichen Prognosen, so der Bericht.
Inflation geht nächstes Jahr zurück
Die Inflation wird den EU-Berechnungen zufolge 2022 hierzulande ihren Höhepunkt mit sechs Prozent erreichen, bevor sie 2023 auf drei Prozent zurückgeht. Hauptpreistreiber bleibt demnach der Energiesektor: Österreich beziehe nach wie vor Zweidrittel seines Energieverbrauchs aus fossilen Energiequellen und sei deshalb so anfällig für den Anstieg internationaler Energiepreise, stellte die EU-Kommission fest.
In diesem Zusammenhang hat der Krieg in der Ukraine entsprechende Auswirkungen auf Österreich. Im vergangenen Jahr bezog Österreich 80 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland. "Es wird schwierig sein, dies durch alternative Quellen kurzfristig zu ersetzen", so die EU-Kommission. Zudem seien seltene Rohstoffe sowie Zwischenprodukte aus Russland wichtig für bestimmte Bereiche in Österreich und der heimische Finanzsektor habe ein "beträchtliches Engagement" in Russland.
Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs werden nach Einschätzung der EU-Behörde "spürbar" sein, das Wachstum wird sich dennoch voraussichtlich fortsetzen. Unterbrochene Lieferketten und gestiegene Preise werden es vermutlich verlangsamen, aber die Erholung unter anderem im Dienstleistungssektor und Tourismus sollten das Wachstum antreiben, erklärte die EU-Behörde.