Die Veranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist die größte KZ-Befreiungsfeier weltweit und stand heuer auch im Zeichen des Ukraine-Krieges. Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich, appellierte: "Wenn es unbedingt einen Sieger braucht, dann nicht Nationen, nicht einen großen Führer, sondern die Werte Friede, Freiheit, Solidarität!"
Gemäß dem diesjährigen Thema "Politischer Widerstand" erinnerte Mernyi an all jene politisch Andersdenkenden, die von den Nazis "systematisch verfolgt und ermordet" wurden. Er betonte, dass es auch heute wichtig sei, Widerstand zu leisten: "So sehen wir es als unsere Verpflichtung, bei einer kriegerischen Auseinandersetzung klar und deutlich 'Nein' zu sagen!" Der Präsident des Comité International de Mauthausen, Guy Dockendorf, nahm ebenfalls auf den Krieg in der Ukraine Bezug: Er erinnerte an die vielen russischen und ukrainischen Kriegsgefangenen in den Lagern der Nazis, die dort zur selben Kategorie an Häftlingen gezählt worden waren. "Sie haben als Bürger der Sowjetunion ihren Teil zum gemeinsamen Kampf gegen den Nazi-Aggressor beigetragen."
Abordnungen aus aller Welt geladen
Zu der Feier kommen traditionell Abordnungen aus aller Welt, denn die in Mauthausen Inhaftierten stammten aus mehr als 70 Nationen. Die Botschafter von Russland und Belarus wurden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von den Veranstaltern gebeten, nicht zu kommen. Hilfsorganisationen, Überlebende und deren Angehörige aus diesen Ländern waren aber willkommen. Beim ukrainischen Denkmal widmete sich eine Ausstellung dem Krieg, der zurzeit dort tobt. Fotos von Zivilisten in Luftschutzkellern, von Massenflucht und Zerstörung aus der heutigen Ukraine wurden analogen Motiven aus dem Zweiten Weltkrieg gegenübergestellt – Bilder von erschreckender Ähnlichkeit.
Aufrufe zu Frieden und Solidarität
Am Appellplatz erinnerten großformatige Bilder von Mauthausen-Überlebenden mit Aufrufen zu Frieden und Solidarität in zahlreichen Sprachen an die insgesamt rund 200.000 KZ-Häftlinge, von denen rund die Hälfte ermordet wurde oder den grausamen Haftbedingungen zum Opfer fiel. Nur mehr ein einziger Überlebender war selbst bei der Befreiungsfeier anwesend: Der aus Litauen stammende und heute in Israel lebende Daniel Chanoch (90) wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Gunskirchen, einem der zahlreichen Nebenlager von Mauthausen, befreit. Da war er zwölf Jahre alt. Bis heute ist er unermüdlich damit beschäftigt, als Zeitzeuge die Erinnerung am Leben zu halten. Erst diese Woche hat er sein Buch "Erzählen, um zu leben – Das Leben ist eine Frage von Sekunden und Millimetern" präsentiert.
Beim eigentlichen Festakt, bei dem die Vertreter zahlreicher Nationen und Organisationen am Sarkophag im Zentrum der Gedenkstätte vorbeiziehen, wurde die russische Delegation nur als "Koordinationsrat der Organisationen russischer Landsleute in Österreich" angekündigt. Die ukrainische Delegation wurde mit langem und herzlichem Applaus bedacht. Den Abschluss machte traditionell die US-amerikanische Abordnung – das Lager war im Mai 1945 von amerikanischen Soldaten befreit worden.
Das offizielle Österreich war vertreten durch Innenminister Gerhard Karner, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), Justizministerin Alma Zadic und Klimaministerin Leonore Gewessler (beide Grüne). Im Vorjahr war die ÖVP-Regierungsriege dem Gedenken fern geblieben, was für Kritik gesorgt hatte. Ebenfalls anwesend war Altbundespräsident Heinz Fischer.
"Schmerz trifft auf Hoffnung"
Im Vorfeld der Feier hatte der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer Widerstandskämpfer als "Leuchttürme gegen die Resignation in das Schicksal" gewürdigt. Aktiver Widerstand finde "seine Begründung in dem auch von der katholischen Sittenlehre anerkannten Recht auf Notwehr, das geltend gemacht wird, um den Staat auf seine Gemeinwohlfunktion zu beschränken". Der evangelische Bischof Michael Chalupka erinnerte daran, dass im KZ Mauthausen die Religionsausübung mit dem Tod betraft wurde. In Mauthausen "trifft Schmerz auf Hoffnung. Hier verbindet sich der Kummer mit dem Lebenswillen", so der orthodoxe Erzpriester Ioannis Nikolitsis.
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner betonte in einer Aussendung, "die nationalsozialistischen Gräueltaten dürfen niemals vergessen werden", das heiße auch, "Menschlichkeit zu bewahren und jeder Form von Hass, Ausgrenzung und Gewalt entschieden entgegenzutreten". Der Krieg in der Ukraine zeige, dass ein friedliches Zusammenleben auch in Europa nicht selbstverständlich sei, so der geschäftsführende oö. SPÖ-Landesparteivorsitzende Michael Lindner.
Die Befreiungsfeier 2023 wird am 7. Mai stattfinden und unter dem Thema "Zivilcourage" stehen.