Ein einzelner Zahn und ein Gebilde mit knochenartigen Strukturen lagen viele Jahre unerkannt in Privatsammlungen zweier Hobbypaläontologen – Funde, die sich nun als wissenschaftliche Sensation entpuppten. Der Bericht des NHM Wien über einen fossilen Pliosaurier aus Österreich im Jahr 2019 veranlasste die Sammler, ihre Funde genauer zu untersuchen und Kontakt mit dem Naturhistorischen Museum Wien aufzunehmen. Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei den Fossilresten um außergewöhnliche Funde eines Zahns und um einen Teil einer Schnauze eines Fischsauriers handelt.
Die Objekte stammen aus Sandsteinen der Rossfeld-Formation Salzburgs und aus Kalken der Schrambach-Formation in Oberösterreich. Der Einzelzahn ist rund 132 Millionen Jahre alt und die Schnauze mit 130 Millionen Jahren nur wenig jünger. Aus der Kreidezeit des österreichischen Alpenraums waren Ichthyosaurier aber bis dahin völlig unbekannt.
"Die neuen Ichthyosaurier-Zähne sind ein wichtiges Bindeglied in der Ichthyosaurier-Evolution der Kreidezeit, es handelt sich um die ersten Nachweise dieser Art in Österreich überhaupt", freut sich NHM-Wien-Paläontologe Alexander Lukeneder.
Der Schnauzen-Fund stammt aus denselben Schichten, in denen Alexander Lukeneder 2019 auch den ersten Pliosaurier Österreichs nachweisen konnte. Somit sind nun zwei der größten Räuber der kreidezeitlichen Nahrungsnetze nachgewiesen. Ichthyosaurier und Pliosaurier waren wahrscheinlich Konkurrenten und jagten beide Ammoniten, Tintenfische und eventuell sogar kleine Ur-Haie. Während die Pliosaurier mit den Dinosauriern am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren ausstarben, verschwanden die Fischsaurier schon früher, vor rund 93 Millionen Jahren, mit bis heute ungeklärter Ursache. Fischsaurier lebten ausschließlich im Meer und konnten bis zu 18 Meter lang und 40 Tonnen schwer werden, mit einer bis zu 2 Meter lange Schnauze. Die hier erforschten Fischsaurier aus dem österreichischen Alpenraum waren zwischen 4 und 6 Metern groß.
Die Fossilien wurden mittels Computertomografie genauer analysiert. Damit konnten auch winzige Strukturen im Inneren der Fischsaurier-Fossilien sichtbar gemacht werden. Die detaillierten Untersuchungen brachten überraschende Erkenntnisse. Im Inneren des größeren Stückes verbargen sich über zehn bis zu drei Zentimeter lange Zähne des Ichthyosauriers. Auch die Anatomie der Schnauze konnte so untersucht werden. Anhand der Micro-CT-Daten wurden dreidimensionale digitale Modelle erstellt, die als Basis für die Rekonstruktionen des Tieres dienten. So wurde mithilfe der Firma 7reasons ein bis dahin unbekannter Ichthyosaurier digital "zum Leben erweckt".
Die Kooperation mit den Privatsammlern zeigt neuerlich das große Potenzial der Zusammenarbeit zwischen Citizen Scientists und Wissenschaftlern. Die beiden Finder der bedeutenden Fossilien, Karl Bösendorfer (Pinsdorf) und Alfred Leiblfinger (Golling), überließen den Wissenschaftlern die Funde nicht nur zur Bearbeitung. Sie übergaben die Fossilien dankenswerterweise dem NHM Wien und dem Haus der Natur in Salzburg, wo sie somit dauerhaft zugänglich sind.