Amnesty International beklagt eine Vielzahl von Verstößen gegen die Menschenrechte auch in Österreich. Im heute veröffentlichten International Report 2021/22 zur Lage der Menschenrechte kritisiert die NGO neben unzureichenden Sozialleistungen etwa mangelhafte Ermittlungen gegen Polizeigewalt, ungerechtfertigte Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden sowie mangelnden Schutz von Whistleblowern und Probleme mit Diskriminierung.
"Die Politik muss endlich erkennen, dass wir nicht die Insel der Seligen sind", mahnt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Viele Probleme würden schon seit Jahren bestehen – es sei jedoch vonseiten der Politik versäumt worden, etwas daran zu ändern. Der Jahresbericht 2021/22 von Amnesty International umfasst 154 Länder, darunter auch Österreich.
Rechte der "24-Stunden-Betreuerinnen" besser schützen
In dem Report werden etwa unzureichende Sozialleistungen und fehlende Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit kritisiert. Das 2021 von sechs Bundesländern umgesetzte Sozialhilfe-Grundgesetz sei nicht ausreichend, um ein Mindestmaß an finanzieller Unterstützung und damit ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen.
Ebenso notwendig seien Reformen, um die Rechte der sogenannten "24- Stunden-Betreuerinnen" in Österreich besser zu schützen. Speziell Migranten und Migrantinnen würden schlecht bezahlt und übermäßig lange ohne Pause arbeiten und aufgrund von Mehrfachdiskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Sozialleistungen haben. "Der neue Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch hat das Thema Pflege und Armutsbekämpfung auf seine Agenda geschrieben – wir hoffen, dass dies nicht nur ein Antrittsversprechen bleibt", mahnt Schlack in Richtung Politik.
Polizeigewalt und Abschiebungen
Außerdem kritisiert Amnesty International "unverhältnismäßige Einschränkungen von friedlichen Versammlungen". Basierend auf Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden einige Versammlungen verboten. In manchen Fällen wurde gerichtlich nachträglich entschieden, dass die Verbote eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung darstellten.
Amnesty International fordert außerdem wirksamere Untersuchungen von Polizeigewalt. Die von der Regierung im Jänner 2020 angekündigte unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen sei bis Ende 2021 noch nicht eingerichtet worden.
Weiters seien Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden ungerechtfertigt durchgeführt worden. Zwischen Jänner und August 2021 seien etwa 64 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben worden, obwohl ihnen bei ihrer Rückkehr schwere Menschenrechtsverletzungen gedroht hätten.
Das im Juli 2021 beschlossene "Anti-Terror Paket" bezeichnet Amnesty International als "menschenrechtlich höchst problematisch". Zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen hätten Bedenken geäußert, dass der neue Paragraf über "religiös motivierte extremistische Verbindungen" zu einer Stigmatisierung von Muslimen führen würde.
Sorge über Pressefreiheit
Besorgt zeigte sich Amnesty – gemeinsam mit anderen Organisationen – auch über die Entwicklung im Bereich der Pressefreiheit. Die strafrechtliche Verfolgung von Julian H., der eine Schlüsselrolle bei der Erstellung des sogenannten "Ibiza-Videos" gespielt hatte, wurde von ihnen als unverhältnismäßig bezeichnet. "Die Regierung hat menschenrechtlich wichtige Reformen angekündigt, die bisher jedoch nicht umgesetzt wurden. Wir warten nach wie vor auf konkrete Gesetzesvorschläge für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, eine grundlegende Reform des Maßnahmenvollzuges sowie die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie", so Schlack.