Die Geschworenen sprachen den Angeklagten mit 4:4 Stimmen vom Mordversuch frei. Der vorsitzende Richter Wolfgang Etl setzte das Urteil daraufhin postwendend aus. Die Anwältin des Mannes, Astrid Wagner, sah dieses Vorgehen als "sehr fragwürdig".

Die Geschworenen sahen es zwar als gegeben an, dass der Mann seiner Frau am 19. August 2021 bei der U-Bahn-Station Pilgramgasse aufgelauert und sie mehrfach mit einem Messer attackiert hat. Sie orteten hinter dem Angriff aber keine Tötungsabsicht. Der Angeklagte hatte bei dem Prozess eine Mordabsicht auch stets bestritten.

Kontrollwahn und Eifersucht

Der 52-jährige gebürtige Serbe ist seit mehr als 20 Jahren mit der – inzwischen scheidungswilligen – Frau verheiratet und hat mit ihr einen gemeinsamen Sohn. Die Ehe litt von Anfang an unter dem Kontrollwahn und der starken Eifersucht des Angeklagten. Die 45-Jährige musste regelmäßig ihr Handy zur Kontrolle abgeben und Bescheid geben, wohin sie ging und mit wem sie sich traf. "In der Pandemie hat das noch weiter zugenommen", sagte das Opfer aus.

Am 16. Juni 2021 sprach die Frau schließlich die Trennung aus und verließ die Wohnung, ohne dem Mann ihren Aufenthaltsort zu nennen. Der Verdächtige bombardierte daraufhin die 45-Jährige mit SMS, sie möge doch zu ihm zurückkehren. Zunächst noch als Bitte formuliert, wurden die Nachrichten laut Anklage immer bedrohlicher, etwa: "Für alles, was du mir gemacht hast, wird meine Rache schmerzhafter sein." Über den zurückgelassenen Laptop der Frau loggte sich der Mann schließlich in deren Google-Konto ein und ortete ihr Handy.

So fand er heraus, dass seine Frau bei einer Freundin in der Nähe der U-Bahnstation Pilgramgasse Unterschlupf gefunden hatte. Im August soll der Mann dann den Entschluss gefasst haben, die Frau zu töten und sich danach in seine Heimat Serbien abzusetzen.

Verwundete wehrte sich mit Pfefferspray

Mit dem in eine Zeitung gewickelten Messer fuhr er am 19. August zur Pilgramgasse und wartete auf seine Frau. Als er seine Frau ausmachte, ging er auf der Pilgrambrücke auf die Frau zu und stach ihr mehrmals mit dem Messer in den Körper, bevor sich Passanten einschalteten. Der Verletzten gelang es, sich vom Boden aufzurappeln und davonzulaufen. Der 52-Jährige rannte ihr jedoch hinterher, wobei er Zeugen zufolge schrie, dass er sie umbringen werde. Er verfolgte sein Opfer über die Pilgrambrücke in Richtung Linke Wienzeile, wo es dann der Frau gelang, ihn mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen. Danach fixierten ihn Zeugen auf dem Boden.

Die Angeklagte erlitt nur deshalb keine noch schwereren Verletzungen, weil der Winkel bei den Stichattacken zu steil gewesen ist. Dafür leidet sie seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. "Es geht mir schlecht, ich habe Schlaf- und Essstörungen und habe zwölf Kilo abgenommen", sagte die 45-Jährige.

"Wollte sie erschrecken"

Bei seinem Geschworenenprozess bestritt der Mann jede Tötungsabsicht. "Ich wollte sie erschrecken", sagte er bei seiner Einvernahme. Er könne sich auch nicht in Details an die Tat erinnern, da er von einem Passanten einen Schlag auf den Kopf erhalten hätte. In dem psychiatrischen Gutachten beschied der Sachverständige Siegfried Schranz dem Angeklagten zwar eine wahnhafte Störung. Diese sei allerdings nicht derartig ausgeprägt, dass seine ganze Persönlichkeit dadurch betroffen wäre. Auch beim Tatzeitpunkt konnte er zwischen Recht und Unrecht unterscheiden.

Der Freispruch durch die Geschworenen kam überraschend. Für Wagner war vor allem ausschlaggebend, dass die Geschworenen nur über Mordversuch, aber nicht über eine etwaige Körperverletzung urteilen konnten. Dass das Urteil aufgehoben wurde, verurteilte sie. Es sei generell nicht gut für die Geschworenengerichtsbarkeit, wenn "nicht genehme" Urteile vom Richter gleich wieder ausgesetzt werden können.