Sie ist die unberechenbarste Naturgewalt im Hochland und kann binnen weniger Minuten zum Tod führen. Eine 61-jährige Frau und ein 60-jähriger Mann gerieten am Samstag bei ihrer Skitour auf die Breitenegg Spitze in Tirol unter eine Lawine und konnten nur noch tot geborgen werden. Insgesamt neun Menschen sind vergangene Woche im Westen Österreichs durch einen Lawinenabgang ums Leben gekommen. Für die Verschütteten kam jede Hilfe zu spät.
Nach wie vor herrscht in den Hochlagen vielerorts Lawinenwarnstufe drei, in Tirol und Vorarlberg sogar Stufe vier. Eine Bezeichnung, die für Lawinenprognostikerin Claudia Riedl nach Verharmlosung klingt: „Die Lawinenstufe drei ist die tödlichste. Wir sprechen hier bereits von einer ‘erheblichen’ bis ‘großen’ Gefahr.“ Viele Skifahrer und -tourengeher unterschätzen das Risiko der Warnstufe drei und begeben sich leichtsinnig in Lebensgefahr.
Alpineinsätze zum Teil verdoppelt
Wie schnell aus dem beweglichen Schneebrett eine tödliche Bedrohung wird, ist vielen oft nicht bewusst. Bergretter Enrico Radaelli: „Kommt eine Lawine angerollt, ist eine Flucht unmöglich, dann kommt es auf das richtige Reagieren an. Oft bleiben nur 15 Minuten.“
Aus diesem Grund empfiehlt der Bergretter, Skitouren niemals alleine und ohne die entsprechende Ausrüstung zu beschreiten. Eine Lawinenschaufel plus -sonde sowie ein Suchgerät und Airbag Rucksack gehören zur Grundausstattung. Nicht zu vergessen der Erste-Hilfe-Kasten. „Die beste Montur hilft aber nichts, wenn man sie nicht zu bedienen weiß“, mahnt Radaelli. Bis zu 20 Prozent mehr Alpineinsätze zählt alleine die steirische Bergrettung in den letzten fünf Jahren. In Kärnten wurden mancherorts sogar Verdoppelungen gemeldet.
Altschneedecke birgt größte Gefahr
Österreichweit sind derzeit vor allem die Gebirgsketten in Vorarlberg und Tirol von Lawinenabgängen betroffen. Im südöstlichen Teil des Landes ist die Lage hingegen ruhiger. Obwohl auch in der Obersteiermark am Wochenende mehrere Lawinenabgänge registriert wurden, allerdings ohne Verletzte. Im Westen Österreichs bereitet der Altschnee momentan die größten Probleme: Liegt der Schnee lang, verändert sich die Oberfläche, was zu einer sogenannten Schwachschicht führt. Skifahrer können dadurch viel leichter ein Schneebrett auslösen und die Schneemasse in Bewegung setzen, erklärt Riedl.
Aus diesem Grund sind schneeärmere Winter mit weniger Neuschnee gefährlicher. Schneit es hingegen immer wieder, wird die Schwachschicht durch die neuen Schneemassen hinuntergedrückt und kann von Skifahrern seltener ausgelöst werden.
Was die Lawinengefahr in den kommenden Tagen betrifft, dürfte aufgrund des Hochs die Warnstufe vielerorts um eine Stufe zurückgehen.
Daniela Breščaković