Heute soll die Impfpflicht vom Bundesrat abgesegnet werden, dann fehlt nur noch die Unterschrift von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, damit das Gesetz schlagend wird. Die Sitzung beginnt heute, Donnerstag, 9 Uhr.
Die politischen Abläufe sind bekannt. Zeit wäre genug gewesen: Aber bei der Befreiung von der Impfpflicht droht ein Chaos, weil das Gesundheitsministerium offenbar noch keine klaren Fakten geschaffen hat – das legen Reaktionen von Medizinern und der Bundesländer nahe.
Zuerst einmal zeigten sich die Bundesländer irritiert, weil der Bund bisher keine elektronische Plattform aufgebaut hat, damit Befunde, die eine Befreiung von der Impfpflicht ermöglichen, hochgeladen und von Expertinnen und Experten begutachtet werden können.
Nachdem das Gesetz beschlossen wird, gilt bis zum 15. März eine Eingangsphase, erst dann wird die Polizei den jeweiligen Impfstatus erfragen. Wann die Phase drei inklusive Verschicken von automatisierten Strafverfügungen in Kraft treten wird, sei noch offen.
„Ich halte das für eine ganz wichtige mittelfristige Maßnahme in der Pandemiebekämpfung, weil wir eine hohe wir eine hohe Gesamtimmunität in der Bevölkerung brauchen. Nicht nur jetzt, sondern auch über den Sommer bis in den Herbst hinein“, äußert sich Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag. Zudem soll die Impfpflicht auch Schutz vor neuen Varianten bieten.
Drei Phasen
Das Gesetz wird in drei Phasen in Kraft treten: Phase eins soll bereits kommende Woche starten, in dieser soll über die Impfpflicht sowie ihre Wichtigkeit informiert werden. Diese soll bis zum 15. März andauern. Für die dritte Phase gibt es noch keinen Fixtermin. „Wir haben eine Expertenkommission eingesetzt, die wird sich aus Gecko rekrutieren. Zwei Verfassungsjuristinnen, zwei Expertinnen aus dem medizinischen Bereich, die werden eine Einschätzung machen“, so Mückstein. Dies soll spätestens alle drei Monate erfolgen.
Sie sollen einschätzen, wie die derzeitige epidemiologische Lage ist sowie welche neuen Impfstoffe infrage kommen würden. Zudem sollen die Experten beobachten, wie sich das Impfen auf die Prognose auswirkt. Auf Basis dieser Prognose kann die Bundesregierung nach Zustimmung des Hauptausschusses die Phase drei einleiten.
Impfstichtag
Zum Thema „Impfstichtag“ äußert sich der Gesundheitsminister wie folgt: „Ich wünsche mir, dass wir die Phase drei gar nicht brauchen. Wenn die Expertinnen und Experten sagen, dass das gar nicht notwendig ist, dann kommt die Phase drei nicht.“
Die derzeitigen Öffnungsschritte seien auch auf Basis von Prognosen beschlossen worden. Denn am wichtigsten sei es, „die medizinische Versorgung für alle Menschen in Österreich sicherzustellen“. Die Feinheiten sollen in den kommenden Tagen und Wochen nachgeschärft werden, die Sperrstunde soll ab 5. Februar beispielsweise auf 24 Uhr verlegt werden. Auch Zusammenkünfte von 50 Menschen sollen dann mit Einschränkungen wieder möglich sein. Ab 12. Februar fallen die Nachweis-Kontrollen im Handel, ab 19. Februar soll in der Gastronomie wieder die 3G-Regelung gelten.
Große Ratlosigkeit
Dort, wo die Befunde erstellt werden (Spitalsspezialambulanzen – oder bei niedergelassenen Ärzten), herrscht Ratlosigkeit, weil die bisherigen Informationen aus dem Gesundheitsministerium äußerst dürftig sind.
In dem Ministeriumsschreiben steht zur Befreiung von der Impfpflicht unter anderem: „Das sind Personen mit folgenden medizinischen Indikationen: Allergie oder Überempfindlichkeit gegen einzelne Inhaltsstoffe, die in allen zentral zugelassenen Covid-19-Impfstoffen enthalten sind.“ Bloß ist diese Formulierung so schwammig, dass sie den Experten keine Klarheit gibt, was tatsächlich zur Befreiung von der Impfpflicht führen kann.
Med Uni Graz und der steirische Spitalsbetreiber Kages haben sich zum Beispiel deshalb sogar schriftlich an das Ministerium und Minister Mückstein gewandt. Sinngemäß geht es darum, dass man mit dieser rudimentären Beschreibung keine Befunde erstellen könne.
Auf Anfrage der Kleinen Zeitung teilte das Ministerium mit: Man wolle „tagesaktuell und erst nach der Unterschrift des Bundespräsidenten die genauen Indikationen ausgeben“, weil auch neue Impfungen in der Pipeline seien. Da man nicht wisse, wann der Bundespräsident unterschreibt, könne man nicht sagen, wann die Verordnung veröffentlicht werde.
Experten bleiben ob der Formulierung „tagesaktuell“ skeptisch. Medizinisch sei die Aussage nicht zu halten, weil ausreichend Infos über Impfungen – auch über die neuen – vorhanden seien. Auch rechtliche Probleme werden thematisiert.
Zur elektronischen Plattform, auf der Befunde hochgeladen werden sollen, erklärt das Ministerium: „Vonseiten des Bundes wird es kein solches System geben. Die Länder führen Vorbereitungsarbeiten durch, um eine zeitnahe Übermittlung notwendiger Unterlagen im Zusammenhang mit der Befreiung von der Impfpflicht zu ermöglichen.“
Im Extremfall müssen die Bundesländer, die sich ursprünglich auf den Bund verlassen haben, neun neue Plattformen aufbauen.
Didi Hubmann