Im Zusammenhang mit einer Klima-Demo vom 31. Mai 2019 ist am Dienstag ein weiterer Polizist am Wiener Landesgericht verurteilt worden. Der Beamte, der einen Demonstranten in den Schwitzkasten genommen und gemeinsam mit einem Kollegen mittels Armstreckhebel zu Boden gebracht hatte, wo der freie Journalist in Bauchlage fixiert wurde, mit dem Kopf unter einem Einsatzfahrzeug zu liegen kam und um ein Haar vom anfahrenden Kleinbus überfahren wurde, fasste zehn Monate bedingt aus.
Im Ermittlungsverfahren hatte der Angeklagte, dem neben Amtsmissbrauch auch falsche Zeugenaussage vorgeworfen wurde, die Vorwürfe bestritten. Nun legte er vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Julia Matiasch) ein Geständnis ab. "Er sieht ein, dass diese Art der Amtshandlung nicht geht", sagte Verteidiger Thomas Herzka. Sein Mandant sei mittlerweile "klüger, einsichtiger und etwas reuiger" geworden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Der Angeklagte stellte in der Verhandlung im Rückblick fest, er sei "naiv" an das Ganze herangegangen, "weil ich mir gedacht habe, der Charge, der Dienstführende wird schon wissen, was er tut". Aus den Augenwinkeln heraus hätte er mitbekommen, wie sein Vorgesetzter mit dem Demonstranten diskutierte und der ältere Kollege jenen plötzlich am linken Arm packte und Richtung Sperrkette zerrte. Sogleich sei er seinem Berufskollegen beigesprungen, indem er den jungen Mann in den Schwitzkasten nahm. "Ich hab' mir eingebildet, dass er aggressiv für mich war", gab der 26-jährige Beamte zu Protokoll. Diese Fehleinschätzung führte er auf eine "Reizüberflutung" zurück. Der Demo-Teilnehmer habe "ein bissl gestikuliert", mehr sei aber wohl nicht passiert. Trotzdem habe er "hingegriffen", er sehe den Fehler ein: "Ich hab' das nicht hinterfragt leider Gottes und mir gedacht, das wird schon passen."
Keinen Grund gegen Demonstranten vorzugehen
Wie die Staatsanwältin betonte, gab es für die Exekutive keinen Grund, gegen den Demonstranten vorzugehen: "Er hat kein Verhalten gesetzt, das eine Festnahme gerechtfertigt hätte. Er hat sich in keinster Weise aggressiv verhalten und sich den Beamten widersetzt." Der Mann habe "nur von seinem Bürgerrecht Gebrauch gemacht". Der von der Polizeigewalt Betroffene erlitt bei der Amtshandlung, die vom Wiener Landesverwaltungsgericht bereits Ende 2019 im Gesamten als rechtswidrig festgestellt wurde, Prellungen am Kiefer, Rücken und den Schienbeinen und Zerrungen an den Schultern und Armen.
Der 26-jährige Polizist hatte nicht nur ungerechtfertigterweise Gewalt ausgeübt, sondern bei seiner Zeugenbefragung am Landesverwaltungsgericht laut Staatsanwältin "schlichtweg gelogen", indem er inhaltlich unrichtige Angaben seines älteren Kollegen bestätigte. Dieser behauptete dort, der Demonstrant habe sich aggressiv verhalten, was jedoch von Videomaterial, das andere Demo-Teilnehmer angefertigt hatten, widerlegt wurde. Auf den Bildern sah man, wie der Betroffene seine Hände in den Hosentaschen hatte, ehe er von der Polizei erfasst wurde.
Auch zur Falschaussage war der 26-Jährige geständig. "So naiv wie ich war, wollte ich die Amtshandlung für mich und den Kollegen rechtfertigen. Das war einfach blöd", meinte er.
Federführender Polizist bereits verurteilt
Der federführende, 29 Jahre alte Polizist ist in dieser Sache schon im Vorjahr vom Landesgericht wegen Amtsmissbrauchs und Falschaussage zu zwölf Monaten bedingt verurteilt worden. Das Urteil vom vergangenen Juni ist mittlerweile rechtskräftig. Der dritte Beamte, der den Polizeibus gelenkt hatte und dem am Boden liegenden Mann beinahe über den Kopf gefahren wäre, wurde vom Bezirksgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hat dagegen Berufung erhoben. Darüber wurde noch nicht entschieden.
Für den 26 Jahre alten Beamten war es "meine erste größere Demo, meine erste Festnahme", wie er abschließend dem Senat darlegte. Mit den zehn Monaten auf Bewährung, die er akzeptierte, ist seine berufliche Karriere nicht beendet. Erst bei einer Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Haft wäre lege der automatische Amtsverlust verbunden gewesen. Ob und welche disziplinarrechtlichen Konsequenzen es für ihn geben wird, wird polizeiintern entschieden. Er werde zukünftig seinen Beruf jedenfalls "korrekt" ausüben, sicherte der Polizist dem Gericht zu. Und "blindes Vertrauen in Vorgesetzte" werde es bei ihm nicht mehr geben.