Der von Omikron verursachte große Infektionsanstieg schlägt sich etwas abgeschwächt auch im Abwassermonitoringsystem nieder. Die aktuellen Daten zeigen laut dem Leiter des "Schulstandortmonitorings", Heribert Insam, weiterhin nahezu bundesweit steigende Tendenzen. Es gebe aber auch erste zarte Hinweise, dass sich die Entwicklung mancherorts einbremsen könnte - mit vielen Fragezeichen dahinter. In Wien waren die Kläranlagenwerte zuletzt auf hohem Niveau gleichbleibend.
Seit April 2020 untersucht ein weitreichender Forschungsverbund um den Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielles Ressourcenmanagement der Universität Innsbruck und Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der Technischen Universität (TU) Wien SARS-CoV-2-Erbgutrückstände im Abwasser. Im Rahmen des vom Bildungsministerium geförderten "Schulstandortmonitoring" werden Proben aus dem Kläranlagen-Zulauf von 108 Anlagen in ganz Österreich laufend analysiert. Sie spiegeln einen Großteil der Bevölkerung wieder.
Bild abseits von Einzeltestungen
Mit an Bord ist auch der seit Beginn des Jahres als Professor für Molekulare Immunologie an der Medizinischen Universität Wien tätige Virologe Andreas Bergthaler, der die Erreger-RNA in den Proben mit seinem Team entschlüsselt (Ganzgenom-Sequenzierung), und die Anteile der jeweiligen Varianten bestimmt. An der MedUni Wien wird überdies von einem Team um Harald Esterbauer ein Variantenscreening durchgeführt. So lässt sich ein weitestgehend repräsentatives Bild über das Infektionsgeschehen und die Variantenanteile im Land abseits von Einzeltestungen zeichnen.
Die teils bis zum 16. Jänner reichenden neuen Daten weisen für ganz Österreich hohe SARS-CoV-2-Konzentrationen im Abwasser aus. Die Tendenzen zeigen nach zuletzt vielfach starken Anstiegen größtenteils auch weiter hinauf. "Omikron hat sich flächendeckend mit wenigen Ausnahmen durchgesetzt", so Insam im Gespräch mit der APA. In Ballungsräumen wie Wien, Salzburg oder im Vorarlberger Rheintal kommt die neue dominante Variante mittlerweile auf Anteile um die 90 Prozent und darüber. Weltweit erstmalig konnte in den Abwasserproben auch die Omikron-Subvariante "BA.2" nachgewiesen werden.
Neuinfektionen in vorhergehende Wellen
Die Viren-Levels gehen aber aktuell vielerorts nicht genau so stark durch die Decke, wie es zuletzt die Inzidenzen taten. "Man sieht einen Anstieg, der ist aber nicht wirklich drastisch", sagte Insam. Das ist erstaunlich, da sich in vorhergehenden Wellen die Neuinfektionszahlen der kommenden Woche in den Kläranlagenanalysen der Vorwoche fast punktgenau vorhersehen ließen. Woher die relativ schaumgebremsten Werte in den Proben herrühren, lässt die Wissenschafter noch rätseln.
Abwassersignal nicht mehr so deutlich
Es könne sein, dass bei Omikron-Infektionen im Schnitt weniger Viren pro Person über den Stuhl ausgeschieden werden. Das diskutiere man gerade mit internationalen Teams, die ähnliche Analysen durchführen. Es sei aber auch denkbar, dass die mittlerweile hohen Impfraten die Virenlasten reduzieren. "Es ist noch nicht ganz klar, warum das Abwassersignal nicht mehr so deutlich ist wie früher", so Insam.
Zum Beispiel in Wien war trotzdem in den vergangenen Wochen auch im Abwasser ein massiver Aufschwung zu sehen. Bei den letzten Messungen stagnieren nun aber die Werte bzw. zeigen leicht nach unten. Gleichzeitig gehen die Inzidenzen in der Bundeshauptstadt noch weiter stark hinauf. "Das zeigt uns auch, dass die Inzidenzen sehr stark von der Teststrategie abhängen", so Insam. Manche ganz aktuelle Anlagen-Messwerte, wie eben jene aus der Hauptkläranlage Wien, präsentieren sich mittlerweile etwas abgeflacht. Dies könnten erste Anzeichen für das baldige Erreichen einer Infektionsspitze in der Omikron-Welle sein. Eine solche Einschätzung sei aber noch als äußerst vage anzusehen, betonte der Wissenschafter.
Ausbau zum Österreich-Monitoring
In Bezug auf die momentanen Diskussionen um Teststrategien glaubt der Mikrobiologe, dass man sich künftig Millionen von PCR- und Antigentests ersparen könnte. Mittelfristig kann sich Insam vorstellen, nur noch symptomatische Personen zu testen - "das ist aber meine ganz persönliche Meinung". In Schulen oder in Risikobereichen wie dem Gesundheitssystem könne man ein leistungsfähiges PCR-Testsystem aber durchaus aufrechterhalten. Letztlich könnten das Abwassermonitoring und die Sequenzierungen sehr genau anzeigen, was sich großflächig epidemiologisch im Land tut. Gehen in einer Region die Zahlen stark hinauf, sollte dort dann wieder vermehrt getestet werden, so eine Idee für die Zeit niedriger Inzidenzen.
Das "weltweit führende" Abwasserdatenprojekt wird nun jedenfalls mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums zum "Österreich-Monitoring" ausgebaut, wie Insam erklärte: "Wir hoffen, dass wir zusätzliche Anlagen mit aufnehmen können." Während Insam die Vorreiterrolle des Bildungsministeriums hervorhebt, kritisiert er einzelne Bundesländer heftig, "die eine Offenlegung der Daten hintertreiben und deren Verständnis von Informationsfreiheit noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen scheint".