Im Körper von David Bennett schlägt seit vergangenem Freitag ein Schweineherz. Für den schwer kranken 57-jährigen US-Amerikaner sei es der letzte Ausweg gewesen. Er hätte sterben oder sich dem Eingriff unterziehen können. Das Ergebnis der achtstündigen Operation: Zum ersten Mal weltweit arbeitet ein Schweineherz als Ersatzorgan in einem Menschen.
Über die Premiere informierte das University of Maryland Medical Center in Baltimore am Montag. Dem Patienten gehe es – drei Tage nach der OP – gut, hieß es. Gestern dann die nächste Nachricht: Der Mann sei nicht mehr an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. „Sein Herz schlägt gut. Er erholt sich weiter.“
Die Transplantation zeige, dass ein genetisch verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt, ist von der Klinik zu vernehmen. „Dies war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher“, sagte der durchführende Arzt Bartley Griffith.
Zehn genetische Anpassungen nötig
Von einem „Meilenstein“ spricht Günther Laufer, Herzchirurg am AKH in Wien. Dem Eingriff sind komplexe Vorgänge vorausgegangen, erklärt der Mediziner. Grundsätzlich sei das Herz eines Schweins dem des Menschen ähnlich, rein funktionell erfülle es die nötigen Voraussetzungen. Der Mensch würde es aber sofort abstoßen. Im Zeitraum von ein paar Minuten bis zu einer halben Stunde stirbt der Muskel ab, so Laufer. „Die Herausforderung ist, aus diesem Schweineherz durch verschiedene Maßnahmen ein Herz zu schaffen, das akut implantiert werden kann.“
Es galt, die Merkmale, die für die Abstoßung zuständig sind, aus dem Erbgut des Tiers „herauszuschneiden“ und dann die Zellen zu klonen. Zehn genetische Anpassungen gab es beim Schweineherz, das transplantiert wurde. So musste man Zuckerstrukturen, die die Gefäße des Schweineherzens auskleiden, entfernen. Ansonsten hätte der Mensch mit Antikörpern darauf reagiert. Auch das Gen, das dafür sorgt, dass das Schweineherz wächst, habe man „ausgeknockt“. Es seien höchste Technologien in der Medizin und der Biologie zum Einsatz gekommen, sagt Laufer.
Versuche mit Pavianherz und Schweineherz in Affen
Schon seit den 1980ern wird zur Xenotransplantation geforscht. Der Fachbegriff beschreibt schlicht das Übertragen von funktionsfähigen Zellen, Geweben oder Organen zwischen verschiedenen Spezies. So hat zum Beispiel ein Arzt in den USA in den 80ern einem kranken neugeborenen Mädchen ein Pavianherz eingesetzt. Es überlebte nur wenige Wochen. 2016 berichteten US-amerikanische und deutsche Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“, dass ein Schweineherz für zweieinhalb Jahre im Körper eines Affen geschlagen habe.
Schweine weisen einen ähnlichen Stoffwechsel wie Menschen auf und sind deshalb als Spender geeignet. Schon üblich ist es, einzelne Herzklappen des Menschen durch jene vom Schwein zu ersetzen. Das gesamte Organ konnte – bis jetzt – aber nie übertragen werden.
„Könnte Mangel an Spenderorganen ausgleichen“
Die gelungene Operation lässt nun jene hoffen, die auf ein Organ warten. „Man würde den Mangel an Spenderorganen ausgleichen können“, sagt Laufer. Er sieht auch Potenzial darin, andere Organe wie Nieren vom Schwein zum Menschen zu transplantieren. Die meisten Patienten in Österreich würden auf Nieren warten, weiß der Chirurg. Auch Peter Zilla, ehemaliger Institutsleiter am Groote Schuur Hospital in Kapstadt – wo der Arzt Christiaan Barnard 1967 das allererste Herz transplantierte –, sieht in den Eingriffen die Zukunft. „Es würde sich vieles ändern. Allein in Amerika fehlen jedes Jahr Tausende Herzen.“
Dennoch äußern beide Experten Skepsis. Nur weil das Herz kurzfristig funktioniert, heiße das nicht, dass es das längerfristig auch tut, sagen sie. Zwischen Mensch und Schwein gebe es komplexe Unterschiede. „Neben dem sofortigen Abstoßen gibt es andere Unverträglichkeiten“, so Laufer. Deswegen benötigt der Patient in den USA auch eine immunsuppressive Therapie. Von der Klinik heißt es, Bennett werde in den kommenden Wochen genau beobachtet.
Schweine als „Ersatzteillager“ – ist das ethisch ok?
Und natürlich wirft die Transplantation aus ethischer Sicht Fragen auf. So verurteilt Kurt Remele, Theologe und Tierethiker an der Uni Graz, die Transplantation. Schweine würden damit doppelt durch Menschen instrumentalisiert, einerseits als „Genussmittel (Niemand muss aus gesundheitlichen Gründen Schweinefleisch essen, ganz im Gegenteil)“, andererseits, so Remele, als „Ersatzteillager“. „Warum konzentriert sich die Forschung nicht auf medizinische Alternativen, die Leid und Tod von Tieren vermeiden?“, fragt Remele, Fellow des Oxford Centre for Animal Ethics.
Remele ist innerhalb seiner ethischen Zunft allerdings in der Minderheit. Die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen (siehe Interview mit Ulrich Körtner) halten mit Blick auf den massenhaften Verzehr des Säugetiers Schweineherzen im Menschen für eine moralisch vertretbare Grenzüberschreitung, deren hoher Nutzen für die Menschheit die Bedenken überwiege.