Vögel! Unverzichtbar im Volkslied und im täglichen Sprachgebrauch, zu gerne schmücken wir uns mit fremden Federn und zeigen den Vogel, sie sind in jedem Garten und in jedem Park zu Hause. Und doch…
Ein paar Zahlen: Eine an einer steirischen Schule durchgeführte Studie hat eine mittlere Artenkenntnis von 1,9 der häufigsten zehn Arten ergeben, 14 Prozent der Schüler*innen kannten keinen einzigen Vogel. Demgegenüber stehen rund 430 Vogelarten, die von Beginn der Aufzeichnungen an in Österreich nachgewiesen werden konnten (etwa die Hälfte als Brutvogel, der Rest verteilt auf mehr oder weniger regelmäßige Durchzügler und sehr seltene Ausnahmebeobachtungen). Wasservögel und Watvögel im Seewinkel, Tannenhäher in den Alpen, die Tausende von Verstecken für ihre Nüsse anlegen und die meisten Nüsschen auch bei geschlossener Schneedecke finden, oder die Mauersegler in unseren Städten, zum Fliegen geboren, denn sie fressen und schlafen im Flug, nur zum Brüten gehen sie an Land.

Und wir sagen, „Da ist ein Vogel.“

Meister der Navigation

Vögel machen Geschenke, sie täuschen und manipulieren, sie schlafen in Gemeinschaften, belauschen andere und trennen sich als Paar. Sie arbeiten zusammen und stimmen sich ab, sie sind lernfähig und berücksichtigen die Bedürfnisse des Partners. Sie sind Meister der Navigation und orientieren sich dabei an einem komplexen System aus Himmelskörpern, Magnetfeldern und Landschaftsmerkmalen, am Wetter und sogar an Gerüchen. Singvögel beherrschen, so wie wir Menschen, das stimmliche Lernen. Sie hören zu und ahmen nach, sie üben und perfektionieren ihren Ausdruck. Einer wissenschaftlichen Theorie zur Folge könnte unsere Sprache aus der Verschmelzung der melodischen Komponente des Vogelgesangs und der inhaltsbezogenen Kommunikation der Primaten entstanden sein, aus einer Verbindung von Inhalt und Ausdruck.

Gastautorin Claudia Sammer
Gastautorin Claudia Sammer © privat

Vögel sind flexibel, sie passen ihr Verhalten an und probieren Neues aus. Dabei gilt, je größer das Gehirn, umso höher die Anpassungsfähigkeit. Die großen Verlierer sind die Langstreckenzieher, jene Meister der langen Strecke. Ein großes Gehirn, das viel Energie verbraucht, können sie sich nicht leisten. Der Preis, den sie bezahlen, heißt mangelnde Flexibilität. Sie sind darauf angewiesen, dass die Nahrung für ihre Jungen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden ist und kommen in Zeiten des Klimawandels immer öfter zu spät. Das gilt auch für den Kuckuck, dessen Wirtsvögel oft im Brutgeschäft sind, wenn er im April von seiner langen Reise zurückkehrt. Wissenschaftlich nüchtern nennt sich das Mismatch.

Allen Anpassungsfähigkeiten zum Trotz wird es für viele Arten immer enger, die Stimmen der Feld- und Wiesenvögel sind vielerorts bereits ganz verstummt. Die jährliche Wintervogelzählung drückt die schleichenden Veränderungen in unserer unmittelbaren Umgebung in Zahlen aus und ist deshalb so wichtig. Wenn wir Trends erkennen, können wir handeln und, hoffentlich, rechtzeitig entgegensteuern. Es zeigt sich, dass selbst häufige, in unseren Gärten und den städtischen Parkanlagen weit verbreitete Arten wie der Haussperling stark rückläufig sind. Diese Entwicklung stimmt traurig, denn jeder Vogel ist einzigartig, jeder Vogel bedeutet Vielfalt, eine Vielzahl an Farben, Lauten und Verhaltensformen.

Eine Bereicherung

Zu beobachten und zuzuhören kann glücklich machen. In jedem Fall ist es eine Bereicherung, wenn ein Vogel nicht nur ein Vogel ist, sondern sich in eine Blaumeise, in ein Rotkelchen oder in einen Gimpel verwandelt. Der österreichische Vogel 2022 ist übrigens die Mehlschwalbe, ein Langstreckenzieher. Aber lassen Sie sich nicht täuschen, wenn Sie an einem warmen Frühlingstag eine Mehlschwalbe sehen. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer.