In die Frage des Umgangs mit dem Karl-Lueger-Denkmal kommt Bewegung. Denn die Stadt hat nun eine Grundsatzentscheidung getroffen, wie es mit der Statue für den früheren Wiener Bürgermeister und bekennenden Antisemiten (1844-1910) weitergehen soll. Demnach wird es eine "künstlerische Kontextualisierung" geben, wie Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gegenüber der APA und in einem Kolloquium zum Lueger-Denkmal ankündigte. Die Ausschreibung dafür ist in Vorbereitung.
Das insgesamt 20 Meter hohe Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit Jahren für Debatten. Immer wieder wurde von Kritikern eine Umgestaltung oder gar Entfernung gefordert. Seit dem Vorjahr ist das umstrittene Bauwerk mit dem Wort "Schande" besprüht. Kaup-Hasler hatte im Mai zu einem Runden Tisch mit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern geladen, um die unterschiedlichen Positionen und Stakeholder zusammenzuführen.
"Extrempositionen nicht möglich"
"Interessant war, dass am Ende klar wurde, dass die Extrempositionen nicht möglich sind", sagte Kaup-Hasler nun im APA-Gespräch. Den "Vertretern der Cancel Culture" sei klar geworden, "dass es nicht zum Ziel führt, das Denkmal einfach wegzuräumen". Das decke sich mit ihrer Haltung, so die Stadträtin: "Wir dürfen nicht alles, was uns stört aus der Geschichte der Stadt - die auch eine schuldbeladene, eine leidvolle ist - aus der Öffentlichkeit räumen." Jene, die am anderen Ende des Meinungsspektrums stehen und somit eine konservative, erhaltende Position einnehmen, hätten zugleich verstanden: "Wir können nicht auf dem Ist-Zustand beharren."
Als Conclusio geht die Kulturressortchefin in Absprache mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nun den Weg der künstlerischen Kontextualisierung. Wie diese aussehen wird, ist freilich noch völlig offen. Denn die entsprechende Ausschreibung, die vom stadteigenen KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) abgewickelt wird, wird gerade erarbeitet und wohl erst im Herbst 2022 fertig sein. Kaup-Hasler rechnet damit, dass im Laufe des Jahres 2023 dann das Siegerprojekt von einer noch zu besetzenden "hochkarätigen" Jury prämiert und danach mit der Umsetzung begonnen werden kann. Einen Kostenrahmen gibt es noch nicht. Auch ist noch offen, ob ein offener oder geladener Wettbewerb ausgelobt wird.
Noch viele Fragen zu klären
Warum aber die lange Vorlaufzeit? Es müssten einerseits die technischen Voraussetzungen genau geklärt werden, führte die Stadträtin ins Treffen. Das betrifft nicht nur etwa Fragen der Statik - unter dem Denkmalstandort verläuft die U-Bahn -, sondern vor allem, welche Art von Eingriffen im Einklang mit dem Denkmalschutz stehen. Von diesem Ergebnis hänge auch ab, ob und inwiefern Sockel und Statue selbst bei einer künstlerischen Umgestaltung des Komplexes angegriffen werden dürfen. Die Prüfung müsse penibel erfolgen, "denn sonst würden wir zig Einreichungen bekommen, die technisch gar nicht umsetzbar wären".
Andererseits brauche es wissenschaftliche Vorarbeiten, die demnächst beauftragt werden und ebenfalls in die Ausschreibung einfließen sollen. Dabei geht es nicht nur um die prägnante Herausarbeitung der Ambivalenz der Person Lueger - kommunalpolitische Verdienste versus Wegbereiter des Antisemitismus -, sondern auch um eine Art kulturphilosophischen Leitfaden für eine zeitgemäße Erinnerungskultur. Der gesamte Prozess soll möglichst breit aufgestellt werden und der Ressortchefin zufolge nicht weniger als ein internationaler Prototyp dafür sein, "wie eine Stadt mit so einem Denkmal umgehen kann".
Bis es an die Umsetzung geht, ist für Kaup-Hasler eine Art künstlerische Zwischennutzung am Standort denkbar. Man überlege, über den KÖR ein bis zwei temporäre Projekte auszuloben. Der "Schande"-Schriftzug wird im Übrigen vorerst weiterhin am Denkmal prangen - nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen. Denn eine chemische Reinigung würde nur die ohnehin schon angegriffene Sockelsubstanz weiter beschädigen - und "ich habe auch keine Lust, Steuergeld zu verschwenden, dass wir es putzen, sanieren und zwei Tage später ist es wieder beschmiert", erklärte die Wiener Kulturstadträtin: "Deshalb würde ich sagen: 'Let it be!'"