Weil sie die Unterrichtspflicht ihres Sohnes über zwei Jahre hinweg missachtet haben soll, ist eine Mutter am Dienstag in Krems zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch wegen des Quälens oder der Vernachlässigung unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen ist nicht rechtskräftig. Die 40-Jährige hatte sich im Laufe des Einzelrichterverfahrens nicht schuldig bekannt, jedoch Reue gezeigt.
Angelastet wurde der Niederösterreicherin, ihren im August 2012 geborenen Sohn von September 2018 bis Ende November 2020 nicht in die Schule geschickt und auch nicht ausreichend und konsequent daheim unterrichtet zu haben. Die Frau soll damit ihre Fürsorgeverpflichtung "gröblich vernachlässigt" haben. Der Bub habe "ein Bildungsdefizit von zwei Schuljahren" erlitten und sei so an seiner geistigen Entwicklung "beträchtlich geschädigt" worden, sagte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag.
Die Angeklagte gab an, ihren Sohn "die ganzen zwei Jahre" hinweg unterrichtet zu haben. Im ersten Schuljahr habe sich die Familie in Deutschland aufgehalten. In Sachen Unterlagen setzten die 40-Jährige und ihr Partner damals auf das Internet. Nach der Rückkehr nach Österreich habe man sich dann Bücher aus einer nahegelegenen Volksschule ausgeborgt. "Einen Lernplan hat es nicht gegeben", fasste die Frau zusammen.
Familie "ständig auf Reisen"
Wieder in Österreich, beantragte die damals im Bezirk Gmünd ansässige Familie nach Angaben eines Mitarbeiters der dortigen Bezirkshauptmannschaft den häuslichen Unterricht. Dieser sei genehmigt worden, sagte der Mann im Zeugenstand. Danach sei die Familie allerdings "ständig auf Reisen" gewesen, u.a. in Bulgarien und Tschechien.
An diversen Aufenthaltsorten blieb laut der Mutter eines gleich - der Sohn habe sich beim gemeinsamen Lernen "ziemlich schwergetan". Lesen habe man probiert, die Buchstaben habe der Bub "aber überhaupt nicht so richtig wahrgenommen". Gelernt worden sei stets drei bis vier Stunden pro Tag. "Eine Schutzbehauptung", befand die Vertreterin der Anklagebehörde zu dieser Zeitangabe.
2019 wurde bei dem heute Neunjährigen ADHS diagnostiziert, außerdem wurde Legasthenie festgestellt. Dennoch wurde das Kind nicht in eine Schule geschickt. Etwas, das die nicht vorbestrafte Mutter vor Gericht dann doch bedauerte: "Ich würde es nicht mehr machen, weil ich meinem Kind geschadet habe. Es wäre besser gewesen, wenn er gleich in die Schule gegangen wäre."
Ex-Ehemann hinterließ ungewöhnlichen Eindruck
Was sie an den Bildungseinrichtungen gestört habe, konnte die 40-Jährige nicht eindeutig erklären. "Ich habe meinen größeren Sohn auch in die Schule geschickt", blickte sie zurück. Der Heimunterricht sei nach einem diesbezüglichen Wunsch ihres damaligen Partners "ein Kompromiss" gewesen.
Der vom Ex-Ehemann im Zeugestand beschriebene Unterricht hinterließ einen eher ungewöhnlichen Eindruck. Gelernt worden sei überwiegend spielerisch und in der Natur. U.a. habe man Buchstaben und Zahlen in den Sand geschrieben, gab der 54-Jährige zu Protokoll.
Nunmehr besucht der Bub eine Landessonderschule. Er ist seit dem Vorjahr fremduntergebracht, aktuell im Bezirk Tulln. Einer Gutachterin zufolge weist das Kind deutliche Defizite hinsichtlich der Allgemeinbildung und bei schulischen Fertigkeiten auf. In diesen Punkten sei der Bub"zwei Jahre zurück". Geortet wurde zudem eine "deutliche Beeinträchtigung" der sozial-emotionalen Entwicklung. Aufgrund der Intelligenz des Kindes wären jedenfalls "wesentlich bessere Leistungen zu erwarten gewesen", wenn der Bub von Beginn an mit Schulwissen konfrontiert gewesen wäre.