Wissenschafter fordern mit Blick auf die Klimakonferenz in Glasgow und die Biodiversitätskonferenz in China im Herbst die Regierungen weltweit dazu auf, zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt "den Reset-Knopf zu drücken". Die Dachorganisation der europäischen Wissenschafts-Akademien EASAC nennt in einem neuen Papier 16 Umweltbereiche, in denen die Politik dringend mehr tun muss, um die Menschheit vor dem Schlimmsten zu bewahren.

"Die Achterbahnfahrt mit extremen Temperaturen, Trockenheit, Überschwemmungen und Waldbränden in diesem Sommer war schlimm, aber wahrscheinlich nichts gegen das, was wir in Zukunft erleben werden", sagte Michael Norton, Direktor des Umweltprogramms von EASAC, der auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angehört. Norton verweist darauf, dass sich "der Verlust der biologischen Vielfalt und der Klimawandel gegenseitig in ihren katastrophalen Folgen verstärken. Es ist ein Teufelskreis, der nicht nur zu extremen Wetterereignissen führt, sondern auch zum Zusammenbruch der Nahrungsmittelsysteme und zu einem erhöhten Risiko von gefährlichen Krankheitserregern, Zoonosen und anderen gesundheitlichen Auswirkungen."

Wechselwirkungen

Auf der Grundlage bisheriger Arbeit des Akademien-Verbunds, haben die Wissenschafter eine Liste von 16 Handlungsfeldern erstellt, in denen die Politik weltweit bereits mehr getan haben sollte und daher dringend handeln müsse, um die menschliche Zivilisation zu schützen. Dabei geht es u.a. um die Rolle der Biomasse-Energie, die Treibhausgasemissionen verschiedener Erdöl-Rohstoffe, Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen im Verkehr, in Gebäuden und in der Infrastruktur sowie um die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und menschlicher Gesundheit.

Die Wissenschafter sehen aber auch Chancen: So könne etwa die Erhaltung, Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Ökosystemen den Klimawandel abschwächen bzw. die Anpassung an seine Auswirkungen ermöglichen, während gleichzeitig die biologische Vielfalt gefördert wird. Bisher habe aber der politische Wille gefehlt, solche Lösungen umzusetzen.

Viele potenzielle Synergien

Nach Ansicht der EASAC müsse die Menschheit auch das Wirtschaftssystem so ändern, dass nachhaltige Entscheidungen und Verhaltensweisen belohnt und gefördert werden, um den Klimawandel aufzuhalten und die biologische Vielfalt zu erhalten. "Das auf dem Bruttoinlandsprodukt basierende Wirtschaftssystem, in dem Interessen im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen, der Nahrungsmittelproduktion und der Landwirtschaft die CO2-Werte in die Höhe treiben und zur Abholzung und Überfischung beitragen, ist nicht mehr zweckmäßig, wenn die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre in möglichst kurzer Zeit gesenkt werden soll", so Norton.

Angesichts der eng verknüpften politischen Agenden des Klimagipfels und des Biodiversitätsgipfels und der großen Dringlichkeit müssten nun beide Seiten zusammenarbeiten, um die vielen potenziellen Synergien zwischen Klimawandel und Biodiversitätspolitik - wie etwa die massive Wiederherstellung von Ökosystemen - zu nutzen und den Kurs der Menschheit in Richtung einer nachhaltigen Zukunft zu ändern, betont man seitens des Akademien-Verbunds.