Die Pandemie mit all ihren Gefahren und Einschränkungen bestimmt unseren Alltag seit mehr als anderthalb Jahren und das wird sich so schnell wohl auch nicht ändern. Während die fortschreitende Immunisierung und die warme Jahreszeit derzeit ein weitgehend normales Leben in vielen Bereichen ermöglichen, blicken Forschende unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen mit Sorge in die Zukunft. 32 führende Expertinnen und Experten aus 17 europäischen Ländern – darunter Österreich – haben vielfältige Problemfelder erörtert und Lösungsvorschläge unterbreitet.
Impfbereitschaft - Von 80 Prozent noch weit entfernt
Die angepeilte Durchimpfungsrate werden wir bis zum Herbst nicht erreichen, Impfmüdigkeit greift um sich. „Deshalb werden wir an ergänzenden Maßnahmen wie der Maske nicht so schnell vorbei kommen“, sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek von der Med Uni Wien. Gegenwärtig liegt die Durchimpfungsrate in Österreich bei unter 59 Prozent. Als Ziel wurden zumindest 80 Prozent avisiert.
Influenza - Grippewelle könnte deutlich stärker werden
Im Herbst 2020 fiel die alljährliche Grippewelle aus. Hauptverantwortlich dafür waren die covidbedingten Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen, die auch vor Influenzastämmen schützten. Aber wenn sich diesen Herbst und Winter wieder mehr Menschen in der Öffentlichkeit treffen, werden wir dieses Jahr wahrscheinlich „nicht so viel Glück haben“, heißt es in der Studie. Das größere Bewusstsein für Hygiene in der Bevölkerung und die Influenza-Impfung können hier wichtige Gegenmaßnahmen bilden, meint Klimek.
Mutanten - Delta war vermutlich nicht die letzte Variante
Niemand kann sagen, welche Varianten des Coronavirus noch auftauchen werden und wie gefährlich diese sein können. Auch die Wirksamkeit der Impfstoffe ist bei künftigen Mutanten nicht garantiert. Mit dem Wiedererstarken des Reiseverkehrs und vermehrter Zirkulation des Virus verstärkt sich auch das Risiko neuer Virenstämme.
Langzeitfolgen - Long Covid und Rückstau bei Therapien
Zehn bis 15 Prozent der Infizierten können auch nach überstandener Krankheit unter Beschwerden leiden. Langzeitfolgen sind aber noch weitgehend unerforscht. „Eine neue Studie legt langfristige kognitive Beeinträchtigungen bei Covid-Patienten nahe“, beschreibt Sozialwissenschafterin Barbara Prainsack. Dazu hat sich in vielen Ländern ein Rückstau bei der Diagnose und Behandlung anderer Krankheiten wie Krebs gebildet. Auch vor psychischen Folgen wegen Isolation oder erhöhtem Stress wird gewarnt.
Kommunikation - "Das Hin und Her nervt die Leute"
Die Verantwortlichen müssen laut Studie klar darlegen, warum bestimmte Maßnahmen notwendig sind, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden und welche Konsequenzen sie für die verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft haben. „Nicht nachvollziehbare Regeln und ein Hin und Her nervt viele Leute mehr als einschränkende Maßnahmen selbst“, sagt Prainsack in Richtung Politik.
Digitalisierung - Umgang mit Daten und fehlende Kooperation
„Was das Sammeln und Verarbeiten von Daten betrifft, herrscht Aufholbedarf“, betont Klimek. Nach vielen Monaten der Krise attestiert er den Behörden im In- und Ausland hier Versagen. In Österreich gibt es beispielsweise keine Verknüpfung von Impfdaten und Spitalsaufenthalten. Das bedeutet, dass nicht automatisch ersichtlich ist, ob eine Person auf einer Intensivstation geimpft ist oder welches Vakzin verabreicht wurde. Es gibt kein Intensivregister und auch der Datenschutz erschwert hier effizienteres Vorgehen.
Matthias Reif