Es ist ein tragischer Fall: Ein 13-jähriges Mädchen wird Ende Juni in Wien von vier Männern unter Drogen gesetzt und vergewaltigt - das Mädchen stirbt. Ihre Leiche entsorgen die Tatverdächtigen. Drei der Männer (zwischen 18 und 23), alle afghanischer Herkunft, wurden gefasst und sitzen inzwischen in Wien in Untersuchungshaft. Der vierte Tatverdächtige, ein 22-jähriger afghanischer Asylwerber,wurde am Donnerstag im Osten Londons gefasst. Nach ihm wurde in den letzten Wochen international gefahndet. Seine Auslieferung an die österreichischen Behörden könnte nun allerdings dauern.
Brexit: neue Rechtsgrundlage für Auslieferungen
"Es gibt seit dem Brexit eine neue Rechtsgrundlage für die Auslieferungen aus England", erklärt Carmen Kainz, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Vor Jänner 2021, als England noch bei der EU war, gab es laut Kainz ein "quasi normales Übergabeverfahren". Beim Brexit wurde ein eigenes Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EU und England verhandelt, ein Teil regelt die Zusammenarbeit der Justiz. "Die Bestimmungen sind ähnlich wie mit Island und Norwegen", so die Sprecherin. Es würde ein direkter Behördenweg angewendet. Der europäische Haftbefehl kann nicht in Kraft treten. Konkret heißt das jetzt: Ein Dokument, das einem europäischen Haftbefehl ähnelt, muss von den österreichischen Behörden übersetzt und nach London geschickt werden. "Das ist heute passiert", sagt Kainz am Freitag zur Kleinen Zeitung.
Übergabeverfahren hat begonnen
Somit wurde das Übergabeverfahren in die Wege geleitet. "Das Ziel ist, dass der 22-jährige Tatverdächtige, der zurzeit in London verwahrt wird, nach Österreich überstellt wird und hier das Strafverfahren gegen ihn stattfindet". Kainz rechnet nicht damit, dass dies schon in der nächsten Woche passieren wird. Der 22-jährige Tatverdächtige, der bereits vorbestraft ist, kann auch Rechtsmittel gegen die Auslieferung erheben. Eine Überstellung ist jedoch sehr wahrscheinlich, nur die zeitliche Komponente lässt sich derzeit nicht abschätzen. Innenminister Karl Nehammer bezeichnete die Festnahme am Donnerstagabend in der ZIB 1 als „großen Erfolg der Zielfahnder in Zusammenarbeit mit der österreichischen Justiz". Die Einvernahmen würden in den kommenden Tagen auch die Fluchtrouten des Verdächtigen zeigen.
Familie erleichtert, Anwalt will klagen
Die Familie des Opfers bezeichnete die Festnahme des vierten Tatverdächtigen in England als "extreme moralische Erleichterung", wie die APA berichtet. Der Anwalt der Familie, Florian Höllwarth, kündigte am Freitag eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich an. Seinen Informationen zufolge hätten die Asylverfahren der Verdächtigen viel zu lange gedauert.