Am Mittwochnachmittag präsentierte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gemeinsam mit General Reinhard Schnakl, dem stellvertretenden Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, sowie dem Polizeischüler und Kampfsport-Spitzensportler Karim Mabrouk - "österreichischer Staatsbürger mit Migrationshintergrund", so Nehammer - den Bericht zur „Vorurteilskriminalität in Österreich“ (Hate Crime).
"Heute ist ein wichtiger Tag, auch in Hinblick auf Sicherheits- und Gesellschaftspolitik", betonte Nehammer zu Beginn der Pressekonferenz. Der Hate Crime-Bericht präsentiere nämlich die aktuelle Lage der Hassverbrechen in unserem Land. Dem sei eine wichtige Diskussion vorangegangen: Gesellschaftspolitische Hintergründe der Straftat müssen mehr beobachtet werden. Denn: "Die Polizei steht für den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte in diesem Land."
Wenn die Straftat ein Hassverbrechen ist, gilt es das auch zu erfassen. "Und es soll einen Diskurs auslösen. Was sagt das über uns aus?" Die Polizei sei dabei "ein Finger in der Wunde". Die Aufgabe der Polizei brauche dafür einen systemischen Ansatz - von den Bildungseinrichtungen bis zur Sozialpolitik - um präventiv entgegen zuarbeiten. Da sei genauso wichtig als die Aufklärung der Straftaten.
Hasskriminalität wiegt schwerwiegender
Laut General Schnakl wirken Hate Crime-Delikte schwerwiegender, weil sie auf eine große Gesellschaft abzielen. Ganz wesentlich ist für die Polizei ein opferzentrierter Zugang und eine professionelle Betreuung gemeinsam mit dem Opferschutz. "Aber das vermeiden von Straftaten ist noch wichtiger." Deshalb werden jetzt weitere Daten bei der Polizeiarbeit generiert. Es gibt jetzt neun Punkte, die bei der Datenaufnahme der Polizei extra erfasst und dann analysiert werden. "Zum besseren Schutz der gefährdeten Gruppen."
Erste Ergebnisse der Untersuchungen
Im ersten halben Jahr der Analyse wurden laut Schnakl 1936 derartige Straftaten erfasst, wobei es auch Straftaten mit mehreren Motiven gibt wie Geschlecht und religiöse Gesinnung. Aufgrund des Lockdowns sei die Untersuchung aber noch nicht zu 100 Prozent aussagekräftig.
Es werde noch länger dauern, bis schlüssige Erkenntnisse aus den zwischen November 2020 und April 2021 erhobenen Zahlen gezogen werden können, betonte der stellvertretende Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit
Was er aber schon zeigt: Westliche Bundesländer haben im Vergleich zur Einwohnerzahl mehr derartige Taten. Die Tatörtlichkeiten befinden sich zu mehr als zwei Drittel im öffentlichem Raum. Lediglich 22 Prozent finden im Internet statt. Rund ein Viertel der Straftaten (26 Prozent) bezog sich im Erhebungszeitraum gegen fremdes Vermögen, womit etwa Sachbeschädigung durch Graffitis und Vandalismus gemeint sind. Eben so viele Straftaten wurden aufgrund des Verbotsgesetzes begangen. Freiheitsdelikte, also etwa Nötigungen und gefährliche Drohungen, machten 16 Prozent aus. Delikte gegen Leib und Leben, also körperliche Attacken, 13 Prozent.
In Salzburg, Oberösterreich und Vorarlberg fiel dem Innenministerium eine hohe Zahl an Delikten nach dem Verbotsgesetz in Relation zur Gesamtbevölkerung auf. Salzburg und Oberösterreich verzeichnen überdies die mit Abstand höchsten Raten an strafbaren Handlungen gegen den öffentlichen Frieden. In Wien ist die relative Zahl dieser beiden Deliktsbereiche indessen auffallend niedrig, heißt es im Bericht. Stattdessen gab es in der Bundeshauptstadt die höchste Rate an registrierten Vermögensdelikten.
Wichtig: Alle Taten anzeigen
"Taten müssen aber angezeigt werden, sonst kann nichts getan werden", betont Nehammer. Deshalb ist die von der Polizei erhobene Zahl niedriger als die von verschiedenen Vereinen genannten Zahlen. "Jede Anzeige hilft. Wenn in Bezirken gezielt derartige Straftaten stattfinden, sind auch Schwerpunktaktionen möglich."
In einem von der Exekutive erstellten Folder gibt es erste Orientierungsmaßnahmen für den richtigen Umgang mit Hate Crime.
Polizeischüler mit eigenen Erfahrungen
"Ich versuche meine Schulkollegen zu sensibilisieren, wie es einem mit rassistischen Aussagen geht", ergänzte Polizeischüler Karim Mabrouk. Obwohl seine Eltern bereits vor 40 Jahren aus Ägypten nach Österreich gekommen ist, muss er sich trotzdem oft rassistische Aussagen anhören. "Ich bin aber kein klassisches Opfer, ich bin Kickboxer", betont er. Sein Tenor: "Hinschauen statt wegschauen ist sehr wichtig."
Kritik an der Pressekonferenz
Er sei nach der groß angekündigten Pressekonferenz des ÖVP-Innenministers zur Präsentation des Berichts über die Vorurteilskriminalität "ratlos" zurückgeblieben, erklärte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer wenig später in einer Aussendung. „Das Kunststück eine Pressekonferenz einzuberufen, nach der dann aber mehr offene Fragen im Raum stehen bleiben als Inhalte, das bringt wohl nur ein Nehammer zustande. Es wäre wohl sinnvoller gewesen, wenn er die Sommerpause noch genutzt hätte, um mehr Inhalt zu generieren und dann auch brauchbare Daten liefern zu können.“
Amesbauer vermisste bei der Pressekonferenz konkrete Zahlen, Daten und Fakten und kündigte an, den Bericht eingehend zu prüfen, sobald dieser auch vollinhaltlich öffentlich gemacht werde.
Projektteam schon seit 2019
"Für manche Menschen in unserer Gesellschaft gehören Diskriminierungen leider zum Alltag, weil sie einer Gruppe angehören oder zugeordnet werden, die regelmäßig gedemütigt wird", hatte Innenminister Karl Nehammer bereits anlässlich des internationalen Anti-Rassismus-Tages am 21. März 2021 betont. "Vorurteilskriminalität kann jeden Menschen treffen, egal ob rassistisch, ideologisch, religiös oder extremistisch motiviert. Derartige Taten sind in jedem Fall absolut inakzeptabel."
Im Innenministerium wurde daher schon im Juli 2019 ein Projektteam zur Verbesserung der systematischen Erfassung von angezeigten Straftaten, die eine abwertende Motivlage haben, eingerichtet. Seit 1. November 2020 wurde resultierend aus dessen Erkenntnissen der Prozess der Anzeigen-Aufnahme bei Fällen von Vorurteilskriminalität angepasst. "Es werden nun alle Anzeigen von 'Hate Crime' jeglicher Art unmittelbar bei Anzeigeerstattung statistisch erfasst, wodurch ein permanent aktuelles Lagebild zu Vorurteils-Delikten besteht", sagt Nehammer. "So können unsere Polizistinnen und Polizisten entsprechend der jeweiligen vorherrschenden Deliktslage sensibilisiert werden."
Daniele Marcher