Österreich hat die religiösen Rechte einer muslimischen Mutter verletzt, indem an ihrem kurz nach der Geburt verstorbenen Baby ohne ihre Zustimmung eine Autopsie durchgeführt worden war. Zu diesem Urteil ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gekommen. Die Frau sei dadurch gehindert worden, das Kind nach religiösen Ritus zu beerdigen, begründeten die Richter laut Presseaussendung die Entscheidung.
Laut EGMR hat die Republik mit der Vorgehensweise gegen das Recht auf Privat- und Familienleben (Artikel 8) und Religionsfreiheit (Artikel 9) verstoßen. Der Frau aus Bregenz stehen nun für den erlittenen immateriellen Schaden 10.000 Euro sowie 37.800 Euro für entstandene Kosten zu. Das Baby war am 3. April 2007 schwer krank geboren worden und starb zwei Tage später an einer Hirnblutung. Laut der Klägerin zerstörte die Autopsie den Körper des Kindes, was die im Islam vorgeschriebene rituelle Waschung und damit religiöse Bestattung verhinderte.
Wille der Mutter wurde ignoriert
Die Behörden hätten den Richtern zufolge den Willen der Mutter berücksichtigen müssen, da der Staat bei Obduktionen reichlich Handlungsspielraum habe. In diesem Fall sei das Gleichgewicht zwischen wissenschaftlichen Interessen und jenen der Mutter nicht gefunden worden, heißt es in der Begründung des Urteils. Zudem hätten die Behörden die Frau über die Art der Obduktion informieren müssen.
Der Leichnam des Kindes war nach der Obduktion seinen Eltern zurückgegeben worden, die das Ausmaß des Schadens zuerst nicht erkannt hatten, da das Kind angezogen war. Daher brachten sie den Körper zur religiösen Bestattung in die Türkei. Erst dort wurden sie während der Bestattungsriten auf den Zustand der Leiche aufmerksam gemacht, die Beerdigung wurde unterbrochen. Das Kind wurde schließlich in einem anderen Dorf ohne die islamische Zeremonie gegen Aufpreis beigesetzt.