Nach einer Starkregenfront in weiten Teilen des Landes Salzburg kam es am Samstagabend, 17. Juli, in der Stadt Hallein zu einer Verklausung des Kothbaches, der daraufhin überlief und die Altstadt flutete. Rund um den Mathias-Bayrhamer-Platz drangen Wasser und Schlamm in Geschäftslokale, Wohnräumlichkeiten und Keller ein.
Verletzt wurde niemand, in der historischen Altstadt gibt es jedoch massive Sachschäden, die sich noch nicht beziffern lassen. Außerdem hat es diverse Murenabgänge gegeben. Schäden in Millionenhöhe treffen jedenfalls auch die Einrichtungen der Stadt - Teile der Sommerrodelbahn und Skipisten wurden weggerissen, ebenso sind Straßen und Wege aufgerissen worden. Betroffen sind auch das Keltenmuseum, das Stadtkino oder die Salzberghalle.
Bürgermeister Alexander Stangassinger sowie Vertreter der Wildbach- und Lawinenverbauung verschafften während eines Fluges mit dem Polizeihubschrauber am Sonntagvormittag ein Bild des Schadensausmaßes.
Das unglaubliche Ereignis habe sich "gar nicht abgezeichnet", zeigt sich Stangassinger fassungslos. Etwa um 20.30 Uhr sei es losgegangen und innerhalb einer halben Stunde hieß es dann "Land unter". "Wir schauen, dass wir so viel wie möglich heute aufräumen und in einigen Tagen die oberflächlichen Schäden beseitigt haben", so der Bürgermeister. Bis man aber auch der wirklich groben Schäden Herr werden könne, dauere es wohl "Wochen oder Monate".
Zur Überflutung sei es durch eine "Verkettung unglücklicher Ereignisse gekommen", führen Stangassinger und Jakob Hilzensauer, Sprecher der Stadtgemeinde aus: zunächst die Verklausung, dann sei auch noch ein Auto von den Wassermassen mitgerissen worden und habe die Situation weiter verschärft. Das letzte Mal, dass der Kothbach derart über die Ufer getreten war, sei 1976 gewesen, das letzte schlimme Hochwasser habe man 2002 zu verzeichnen gehabt, erinnert sich Hilzensauer.
Streit um Hochwasserschutz
Der Bach war aber schon länger als Gefahrenquelle bekannt, wie die APA berichtet. Seit Herbst werde ein Hochwasserschutz samt Rückhaltebecken für den kleinen Zufluss zur Salzach gebaut. Für den Halleiner Bürgermeister etwa ein Jahr zu spät, weil der Baubeginn torpediert worden sei. "Es hat Einsprüche gegeben von Naturschutzseite und diversen Anrainer. Wenn es diese Verzögerung nicht gegeben hätte, hätten die Überschwemmungen ein viel geringeres Ausmaß oder ganz verhindert werden können", sagte Stangassinger zur APA.
Massives Feuerwehr-Aufgebot
Um 9 Uhr wurde die Feuerwehr mit Zügen aus dem Lungau, Tennengau und der Stadt Salzburg massiv aufgestockt. Die Aufräumarbeiten beschränkten sich derweil auf Situation, wo Gefahr im Verzug ist, so Hilzensauer. In der Nacht hatten die Feuerwehren um 3.30 Uhr Leute abgezogen, um Kräfte zu tanken - in der Nacht waren laut Bürgermeister Stangassinger 212 Feuerwehrleute aus sieben Gemeinden mit 36 Fahrzeugen im Einsatz. Am Sonntag waren dann rund 390 Kameraden mit 50 Fahrzeugen im Stadtgebiet im Einsatz. Zu tun gibt es genug: "Wir räumen die Verkehrswege frei, pumpen Keller aus und sind mit den Aufräumarbeiten in Hallein und Bad Dürrnberg beschäftigt", zählt der Halleiner Feuerwehrkommandant und Einsatzleiter Josef Tschematschar auf.
Gegen Mittag machte sich auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer gemeinsam mit Bürgermeister Stangassinger ein Bild der Lage. "Wir werden beim Beseitigen der Schäden niemanden alleine lassen", so Haslauer. Ergänzend zu Mitteln aus dem Katastrophenfonds des Bundes wird die Stadtgemeinde für Soforthilfe ein Spendenkonto einrichten. "Es kommt mittlerweile immer wieder die Frage: Wohin können wir spenden? Natürlich muss man sich die besonders schlimmen Fälle auch besonders ansehen", so der Ortschef am Montag im Ö1-Morgenjournal. Die ausgeschüttete Hilfe solle auch sozial gestaffelt sein, sodass finanziell schwächer aufgestellte auch mehr Unterstützung bekommen."
Bundesheer im Einsatz
Bereits um 2.15 Uhr früh forderte die Bezirkshauptmannschaft Hallein wegen der anhaltend starken Regenfälle und der entstandenen Überflutungen und Murenabgänge Assistenzkräfte vom Bundesheer an. Daraufhin alarmierte das Militärkommando Salzburg die präsente Pionierkompanie des Pionierbataillons 2 in der Schwarzenbergkaserne. Im Laufe des Nachmittags trafen dann 50 Bundesheer-Pioniere ein.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zeigt sich betroffen: „Die Bilder, die uns in der Nacht aus Hallein erreicht haben, haben uns alle schwer getroffen. Die Salzburger Pioniere, die eng mit der Region verbunden sind, helfen auch hier der leidgeprüften Bevölkerung. Unser Heer ist immer da, wenn die Bevölkerung unsere Unterstützung benötigt."
Unwetter in Deutschland und Österreich
Entspannung am Sonntagabend
Nachdem am Sonntagnachmittag die intensiven Regenschauer im Land Salzburg nachgelassen hatten, haben sich auch die Pegelstände an der Salzach stabilisiert - und auch die Situation in Hallein entspannte sich. Der Zivilschutzalarm blieb jedoch aufrecht. Für einen Teil der Feuerwehrleute, die nach dem Einsatzmarathon naturgemäß erschöpft waren, wurde der Einsatz am Abend laut Halleiner Stadtkommunikation vorübergehend beendet. Dennoch musste eine Siedlung in Ortsteil Gamp evakuiert werden, weil eine Stützmauer einzustürzen drohte.
Die Stadt hatte Notunterkünfte zur Verfügung gestellt, diese seien laut Informationen von Sonntagnachmittag nicht benötigt worden. Schäden an der Strom- und Trinkwasserinfrastruktur das Stadt hatte es glücklicher Weise nicht gegeben.
Lokalaugenschein in der Unwetternacht
Ein Lokalaugenschein der Kleinen Zeitung kurz nach Mitternacht zeigt: Schlamm bedeckt einige Straßen und Plätze, das Wasser ist mittlerweile in die Salzach abgeflossen. Besonders betroffen: das Gebiet rund um den Mathias-Bayrhamer-Platz.
Einer, der das Ansteigen des Wassers eben dort von einem Lokal aus hautnah miterlebt hat, ist Julian Rabl aus Adnet. "Wir haben nach drei Jahren Maturatreffen gehabt. Zuerst war Stromausfall. Nach fünf Minuten schaust du aus dem Fenster und da steht voll das Wasser", schildert der junge Mann. Etwa 20.30 Uhr sei es da gewesen. "Blumentöpfe fließen vorbei, von einem Gewandgeschäft ist die Scheibe gebrochen und das Gewand ist rausgeschwommen", so Rabl. Man konnte nicht hinaus - schließlich war dort das Wasser - also blieben die jungen Erwachsenen, nun bei Kerzenlicht, im Lokal. Dort, wo sie saßen, sei immerhin kein Wasser eingedrungen.
Ganz in der Nähe hatten andere weniger Glück: "Bei einem Freund von mir ist das ganze Erdgeschoß unter Wasser", sagt Rabl.
In besagtem Gewandgeschäft wiederum scheint kaum etwas heil geblieben zu sein: die Tür herausgerissen, Regale umgestürzt, der Boden bedeckt mit einer Mischung aus Kleidungsstücken und Schlamm.
Auf dem Platz werden indes nicht nur Möbelstücke aus den verschlammten Geschäftslokalen und Kellern getragen und die braune Brühe mit Kübeln, Schneeschaufeln und Besen nach draußen befördert. Feuerwehrkameraden und weitere freiwillige Helfer füllen auf Hochtouren Sandsäcke, dichten Eingänge ab. "Es ist noch nicht vorbei", bringt ein Herr die Angst vor weiterem Hochwasser auf den Punkt. "Sandsäcke tragen, nicht filmen", wird ein Kameramann angeherrscht, der die Bilder der Zerstörung einfangen möchte.
In einer Nebengasse steht ein völlig zerbeultes Auto - ebenfalls von den Wassermassen mitgerissen. Und nicht nur das, gleich daneben fehlen der Fahrbahn ganze Asphaltbrocken, die sich nun etwa 150 Meter entfernt zu einem Haufen türmen. Ein Bagger rollt an: Die Einsatzkräfte sind hier auch schon mit schwerem Gerät vor Ort.
In gegenüberliegende Richtung scheint eine Konditorei Glück im Unglück gehabt zu haben. Wasser drang zumindest ins Geschäftslokal nicht wirklich ein. Die Nachbarn Helmut und Ramona Hinterlechner sind, von der Betreiberin kontaktiert, gerade dabei, die gröbsten Spuren im Keller und Gastgarten zu beseitigen. "Wir waren oben auf der Dachterrasse und haben gemerkt, dass das Wasser nicht mehr abrinnt", berichten sie. "Dann haben wir gesehen, dass ein reißender Bach durch die ganze Gasse rinnt." Vom Geschäftslokal aus habe es dann durch die Scheibe ausgesehen "wie ein Aquarium. Der Schlamm hat zum Glück die ganze Fuge abgedeckt", erläutern die beiden. So sei das Wasser eben draußen geblieben.
Die Bevölkerung von Hallein war aufgefordert worden, in den Häusern zu bleiben, Tiefgaragen und Keller nicht zu betreten und sich auch von den Dämmen der Fließgewässer fernzuhalten. Medienberichte, wonach "Personen in der Gefahrenzone von einem Hubschrauber geborgen werden müssen", bestätigte die Stadtgemeinde nicht.
Sehr wohl sei es am Samstag aber ganz in der Nähe zu einer brenzligen Situation gekommen, wie Hilzensauer berichtet: "Da hätte es fast drei Leute weggeschwemmt, aber die sind Gott sei Dank durch die Sogwirkung auf einen Parkplatz hineingezogen worden und haben sich dort auf eine Mauer gerettet. Sie sind dann von der Feuerwehr per Auto gerettet worden."
Weitere Videos auf Facebook und Twitter zeigen das gewaltige Ausmaß der Überschwemmungen in der historischen Altstadt von Hallein:
Jonas Pregartner