In einem Prozess um Polizeigewalt sind am Montag am Wiener Landesgericht die Urteile gefallen. Von acht angeklagten Polizeibeamten wurden sechs schuldig erkannt, die beiden Hauptangeklagten im Alter von 37 und 29 Jahren erhielten wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung bedingte Freiheitsstrafen von zwölf bzw. zehn Monaten. Sämtliche Urteile fielen so aus, dass sie für keinen schuldig gesprochenen Polizisten den zwingenden Amtsverlust bedeuten.
Zwei Mitangeklagte fassten wegen Amtsmissbrauchs jeweils acht Monate bedingt aus, bei ihnen ging der Schöffensenat (Vorsitz: Sonja Weis) davon aus, dass sie die Übergriffe ihrer beiden Kollegen mitangesehen hatten und nicht dagegen eingeschritten waren. Zwei weitere Beamte wurden wegen Missbrauch der Amtsgewalt und Fälschung eines Beweismittels zu je zehn Monaten bedingt verurteilt. Sie hatten nicht nur zugesehen, sondern darüber hinaus die aus dem Ruder gelaufene Amtshandlung nicht den Vorschriften entsprechend verschriftlicht. Einer von ihnen schickte das Opfer der Polizeigewalt weg, als dieser am nächsten Tag auf seiner Polizeiinspektion Anzeige erstatten wollte.
Geständnis hat sie gerettet
Zwei Polizisten wurden im Zweifel freigesprochen. Ihnen hielt das Gericht zugute, dass sie nicht von Anfang an im Lokal waren und daher das Wesentliche womöglich nicht mitbekommen hatten.
Die Hauptangeklagten nahmen die Urteile an, die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Entscheidungen keine Erklärung ab. Die Urteile sowie die Freisprüche sind somit nicht rechtskräftig.
Für die erstinstanzlich schuldig erkannten Polizisten ging mit dem Urteil nicht der automatische Amtsverlust einher. Ein solcher wäre erst ab einem Strafausmaß von mehr als einem Jahr ex lege eingetreten. Ob und welche Konsequenzen der Fall für die Betroffenen in dienstrechtlicher Hinsicht hat, muss nun von den Disziplinarbehörden entschieden werden.
"Das Geständnis hat Sie gerettet", betonte die Richterin in der Urteilsbegründung. Der Senat habe bei einem Strafrahmen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren die Strafen so ausgemessen, dass der Weiterverbleib bei der Polizei nicht ausgeschlossen ist. Mildernd habe man bei der Strafbemessung die "umfassenden, reumütigen" Geständnisse angerechnet, insgesamt sei das Ganze aber "eine sehr, sehr unschöne Geschichte, sowohl für die Polizei, als auch für die Angeklagten" gewesen. Es sei seitens der Polizei zu einer "völlig unnötigen Eskalation" und einem "klaren Amtsmissbrauch" gekommen.
Die Anklage hatte den Polizisten zur Last gelegt, am 13. Jänner 2019 in einem Spiellokal in Favoriten ohne ersichtlichen Grund einen Tschetschenen geschlagen zu haben. Wie der Betroffene am Montag unter Wahrheitspflicht im Großen Schwurgerichtssaal schilderte, sollen den Tätlichkeiten rassistische Beleidigungen vorangegangen sein.
Kniestoß, Faustschläge, "Scheißhurenkinder"
Die Polizei war wegen eines angeblichen Raufhandels in das Lokal gerufen worden. Acht Beamte - darunter zwei Hundeführer - fanden sich in dem Zwei-Zimmer-Lokal ein, wo sich neben dem Tschetschenen nur ein weiterer Mann aufhielt. Streit hatten die beiden keinen. Die Polizei führte dessen ungeachtet eine Ausweiskontrolle durch, als der Tschetschene seinen Führerschein herzeigte, sei er von dem 37-jährigen Beamten beleidigt worden, gab der Zeuge zu Protokoll: "Als er gesehen hat, dass ich aus Tschetschenien komme, hat er gesagt, ihr gehört alle abgeschoben. "Auch der Ausdruck "Scheißhurenkinder" sei in diesem Zusammenhang gefallen, behauptete der 29-jährige Tschetschene.
Der 37-Jährige habe ihn dann zu einer Couch gezogen und aufgefordert, die Hände aus den Jackentaschen zu nehmen: "Ich hatte eine Operation an der Hand und habe eine Schiene getragen." Daher habe er die Hand nicht aus der Tasche nehmen wollen.
Als die Polizei auch noch feststellte, dass der Tschetschene ein zweites Handy dabei hatte und er dieses partout nicht entsperren wollte ("Es waren private Videos drauf"), sondern stattdessen auf den Boden warf, eskalierte die Situation. Er sei von dem 37-Jährigen am Nacken gepackt worden, habe einen Kniestoß in den Unterleib und Schläge mit der Faust bekommen, berichtete der 29-Jährige: "Ich war kurz ohnmächtig." Der 37-Jährige habe ihm obendrein gedroht, er werde ihn "die ganze Nacht verprügeln", wenn er das Handy nicht entsperre, gab der Zeuge an.
Nachdem er wieder zu sich gekommen war, habe er angekündigt, Anzeige erstatten zu wollen, setzte der Tschetschene fort. Da habe ihm ein zweiter, 29 Jahre alter Polizist "mit der Faust auf den Kiefer geschlagen".
"Ich hab' geglaubt, wir sind in einem Rechtsstaat"
"Ich habe gesagt 'Hört's auf, was soll das'. Ich hab' geglaubt, wir sind in einem Rechtsstaat", erinnerte sich der Zeuge, der erstklassiges Deutsch spricht und daher ohne Dolmetsch vernommen wurde. Auf seine Bemerkung sei ihm erwidert worden, er könne "zurück nach Russland gehen".
Der Vorfall wurde erst bekannt und von der Staatsanwaltschaft untersucht, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer im Lokal angebrachten Überwachungskamera den Medien zugespielt wurde. Darauf ist zu sehen, wie Kollegen der Hauptangeklagten bei den Handgreiflichkeiten untätig danebenstehen und diese gewähren lassen. Die Vorgänge in dem Lokal wurden auch nicht rechtmäßig dokumentiert, um sie zu vertuschen.
"Wenn es das Video nicht gäbe, wäre ich Beschuldigter", stellte der Tschetschene diesbezüglich fest. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen ihn wegen Verleumdung ermittelt - dieses Verfahren wurde eingestellt, nachdem die Anklagebehörde das Videomaterial erhalten hatte.
Am Ende der zeugenschaftlichen Befragung des betroffenen Tschetschenen wurde das Thema Schadenersatz und Wiedergutmachung angeschnitten. Der Mann hatte der Anklage zufolge eine Schädelprellung, Prellungen am Brustbein, am Unterarm und an der Nase mit Nasenbluten sowie Schmerzen im Unterleib davon getragen. "Ich brauche das Geld nicht", erklärte der Tschetschene. Der 37-jährige Polizist wandte sich darauf im Verhandlungssaal direkt an ihn: "Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen." Über seinen Verteidiger Marcus Januschke bot der Beamte dem Mann 1.000 Euro als Wiedergutmachung an. Der Tschetschene lehnte das erneut und kategorisch ab: "Er kann das Geld behalten. Er soll es für wohltätige Zwecke spenden."
Die Hauptangeklagten hatten sich in dem Verfahren schuldig bekannt. Mit Ausnahme der am Ende freigesprochenen zwei Hundeführer waren auch die Mitangeklagten weitgehend geständig.