Der Bedarf an Pflegepersonal wächst seit Jahren beständig an, die Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Umso alarmierender wirken die Ergebnisse zweier nun veröffentlichter Umfragen des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Knapp die Hälfte des Akut-Pflegepersonals in Österreich denkt an einen Ausstieg oder will fix aussteigen. Aber auch dem Nachwuchs vergeht die Lust am Beruf: Laut der ARGE Junge Pflege haben mittlerweile fast 40 Prozent der Pfleger in Ausbildung eine negative Sichtweise auf ihre künftigen Berufe.
Prognosen zeigen, dass dieses Beschäftigungsfeld - aufgrund des zu erwartenden Anstiegs der älteren Bevölkerung - in den nächsten Jahren weiter kräftig wachsen wird. Das Arbeitsmarktservice hat die Pflegeberufe im April zur Causa prima gemacht und fördert entsprechende Ausbildungen gezielt.
Denn die Anforderungen in diesen ohnehin schon sehr intensiven Berufen sind während der Corona-Krise weiter gestiegen. "Wenn nicht mehr Menschen für den Beruf gewonnen werden, können wir schon im kommenden Jahr den Bedarf im Pflegebereich nicht mehr decken", warnte Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks, vor einem Monat in der Kleinen Zeitung. 158.000 Personen sind derzeit in Österreich in Pflege- und Betreuungsberufen tätig. Bis 2030 besteht laut Gesundheit Österreich ein Mehrbedarf von rund 90.000 Arbeitskräften. Tendenz steigend.
Nerven liegen blank
45 Prozent der Gesundheits- und Krankenpfleger im Akutbereich denken offenbar an einen Berufsausstieg. Weitere fünf Prozent planen den Ausstieg bereits oder sind dabei, diesen umzusetzen. Das besagt die Umfrage "GuK-C19-Studie", die mitten in der dritten Corona-Welle unter 2470 Pflegern in österreichischen Spitälern erhoben wurde.
Auch nach einem Jahr Pandemie sind mehr als die Hälfte der Gesundheits- und Krankenpfleger der Meinung, dass sich die Arbeitsbedingungen noch weiter verschlechtert haben.
Als Belastungen wurden eine zusätzlich erhöhte Arbeitsbelastung (81 Prozent), ein höherer organisatorischer Aufwand (59 Prozent), das stundenlange Tragen der Schutzausrüstung (57 Prozent), der Personalmangel (55 Prozent) und die Unabsehbarkeit der Covid-19 Pandemie (53 Prozent) angegeben.
Auch Übergriffe der Patienten nehmen zu. 77 Prozent der Pfleger waren demnach von Aggression und Gewalt der Patienten betroffen, was
hochgerechnet mehr als 47.000 Pfleger betreffen würde.
Fatale Signale an Nachwuchs
Diese Probleme werden vielfach schon während der Ausbildung wahrgenommen, wie Karin Hinterbuchner von der ARGE Junge Pflege nun berichtet. Das habe ein Umfrage in Fachhochschulen und Schulen in allen Bundesländern ergeben. Demnach haben 39,6 Prozent der Befragten eine negative Sichtweise auf den Pflegeberuf und 37,5 Prozent gaben an "immer oder oft" in der praktischen Ausbildung unter körperlichen und/oder psychischen Belastungen zu stehen. Vor allem während der Berufspraktika werden immer öfter Auszubildende herangezogen, um Lücken im Dienstplan zu füllen. "Diese Leute bekommen keine oder kaum finanzielle Vergütung", betont Hinterbuchner. Von Sicherheitszulagen in der Pandemie könne ebenfalls keine Rede sein.
Eine weitere negative Begleiterscheinung dieser Praxis sei, dass für Ausbildungsaspekte immer weniger Zeit bleibe. "Die Qualität leidet", konstatiert Hinterbuchner. Zugenommen habe immerhin das Ansehen der Pflegeberufe. Angesichts der aktuellen Probleme eher ein schwacher Trost.
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) will sich für eine "Aufwertung der Pflege" insgesamt einsetzen. Man führe Gespräche mit den Bundesländern, um das Berufsfeld zu attraktivieren, heißt es dazu aus dem Ministerium. "Analog zum Medizinstudium sollten auch in der Pflegeausbildung Praktika bezahlt werden." Konkretere Maßnahmen seien für das zweite Halbjahr 2021 geplant. Bis dahin soll es einen steuerfreien Einmal-Bonus von 500 Euro für Pflegepersonal geben - das die Ausbildung bereits abgeschlossen hat.