Die Coronavirus-Pandemie, die ab dem Frühling 2020 in Österreich um sich gegriffen hat, und die damit verbundenen Einschränkungen hatten Auswirkungen auf die Zahl der Eheschließungen, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten der Statistik Austria ersichtlich ist. Im Vorjahr haben sich weniger Paare getraut, allerdings gab es auch weniger Scheidungen.
"Die coronabedingten Einschränkungen haben vielen privaten Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht: 2020 haben 14 Prozent weniger Paare standesamtlich geheiratet als im Jahr davor. Allerdings wurden auch neun Prozent weniger Ehengeschieden", berichtete Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
Konkret wurden laut den nun endgültig vorliegenden Daten der Statistik Austria im Vorjahr 39.662 Ehen geschlossen. Das sind um 6.372 bzw. um 13,8 Prozent weniger als 2019. Im gleichen Zeitraum wurden 1.256 eingetragene Partnerschaften begründet, das sind um 13 bzw. 1,0 Prozent weniger als 2019. Gleichzeitig wurden 2020 insgesamt 14.870 Ehen rechtskräftig geschieden, um 8,9 Prozent weniger als im Vorjahr und 108 eingetragene Partnerschaften aufgelöst, um 10,7 Prozent weniger als 2019.
Rückgänge bei den Eheschließungen wurden in allen Bundesländern verzeichnet, die stärksten in Wien (minus 23,1 Prozent), gefolgt von Salzburg (14,8 Prozent) und Burgenland bzw. Vorarlberg (jeweils 13,7 Prozent). Bei 70 Prozent der Eheschließungen war es übrigens für beide Partner die erste Ehe (2019: 69,5 Prozent). Das mittlere Erstheiratsalter der Männer lag bei 33,3 Jahren, jenes der Frauen bei 31 Jahren.
Wer war schuld?
Die Zahl der Begründungen eingetragener Partnerschaften entwickelte sich dagegen 2020 in den Bundesländern unterschiedlich: Während in Salzburg (plus 25,9 Prozent) und in Vorarlberg (plus 14,3 Prozent) deutlich mehr derartige Verbindungen begründet wurden, verzeichneten Tirol (minus 9,5 Prozent) und Wien (minus 6,2 Prozent) stärkere Rückgänge. Von den insgesamt 1.256 eingetragenen Partnerschaften im Jahr 2020 wurden 34,0 Prozent von in Wien wohnhaften Paaren begründet.
Die seit 1. Jänner 2019 bestehende Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Eheschließung wurde im Jahr 2020 von 339 weiblichen und 273 männlichen - also insgesamt 612 - Ehepaaren wahrgenommen. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften gab es 83.
Im Vorjahr gab es auch weniger Scheidungen. Bei 12.959 bzw. 87,1 Prozent aller Ehescheidungen endete die Verbindung in beiderseitigem Einvernehmen (§55a Ehegesetz). Auch die 108 gerichtlichen Auflösungen eingetragener Partnerschaften erfolgten zu 90,7 Prozent einvernehmlich.
Bei den insgesamt 1.719 strittig geschiedenen Ehen war zu 48,0 Prozent der Mann Träger des Verschuldens, zu 9,5 Prozent die Frau, zu 29,7 Prozent waren es beide sowie in 12,9 Prozent der Fälle keiner von beiden.
Die Gesamtscheidungsrate lag 2020 im Österreichschnitt bei 37,6 Prozent. Blickt man auf die einzelnen Bundesländer, war sie zum zweiten Mal in Folge in Niederösterreich mit 41,4 Prozent am höchsten. Die Daten für die anderen Bundesländer: Vorarlberg (40,2 Prozent), Burgenland (39,7 Prozent), Kärnten sowie Wien (je 39,0 Prozent, Wien war von 1991 bis 2018 jeweils führend bei der Gesamtscheidungsrate), Salzburg (36,4 Prozent), Steiermark (36,2 Prozent), Oberösterreich (34,9 Prozent), Tirol (32,2 Prozent).
Die mittlere Ehedauer der im Jahr 2020 geschiedenen Ehen lag mit 10,6 Jahren und damit etwas über dem Niveau von 2019 (10,5 Jahre). Dabei fanden 1,3 Prozent der Ehescheidungen bereits innerhalb des ersten Ehejahres, weitere 4,6 Prozent im Laufe des zweiten Ehejahres statt. Insgesamt betraf fast die Hälfte aller Ehescheidungen Ehen mit einer Ehedauer von weniger als zehn Jahren (47,8 Prozent).
Etwa jede siebente Scheidung (13,5 Prozent) erfolgte nach der Silberhochzeit, darunter waren auch 37 Paare, die sich erst nach der Goldenen Hochzeit scheiden ließen. Das durchschnittliche Scheidungsalter für Männer lag bei 45,5 Jahre und für Frauen bei 42,1 Jahren. Von den Auseinandergehen der Eltern waren insgesamt 17.236 Kinder, davon 12.037 Minderjährige (69,8 Prozent) betroffen.
Tickende Zeitbomben
Von den Daten zur Praxis: Scheidungsanwälte rechnen damit, dass es spätestens ab Herbst parallel mit der erwarteten Insolvenzwelle auch zu mehr Scheidungen kommen wird. Denn eine wirtschaftliche Schieflage führt zu erheblichen Spannungen in Beziehungen.
"Die Pandemiezeit ist aus unserer Perspektive extrem wechselhaft verlaufen. 2020 war ein Ausnahmejahr", berichtete beispielsweise Clemens Gärner, Partner der Kanzlei Gärner Perl Rechtsanwälte, in einer Aussendung. "Corona hat zunächst in der ersten Jahreshälfte einen großen Impact gehabt. Wir haben in unserer Kanzlei einen Anstieg von 30 Prozent an Scheidungsfällen registriert. Danach ließ der Ansturm fast vollständig nach. Jetzt merken wir, dass mit dem voraussichtlichen Ende der Pandemie die KlientInnen-Anfragen immer zahlreicher werden", führte der Jurist weiter aus.
Derzeit herrscht aus seiner Sicht für viele Paare die Ruhe vor dem Sturm. Gerade das Unausgesprochene werde zur tickenden Zeitbombe. "Die Pandemie hat auf das Familienleben erheblichen Druck ausgeübt. Auf sie folgt die wirtschaftliche Rezession, die abermals Familien auf die Probe stellen wird. Wir können Paaren nur raten, miteinander authentisch über ihre Bedürfnisse zu sprechen. So könnte man eine spätere Ehekrise vielleicht vermeiden."