Sie ist geschafft, die Reifeprüfung 2021. Für die meisten Kandidaten jedenfalls, denn die mündlichen Prüfungen sind heuer nur freiwillig zu absolvieren. Die Schulzeit ist damit zu Ende, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Und genau das ist ein Grund, warum Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann die Matura für enorm wertvoll hält: "Sie ist ein wichtiger Marker im Prozess des Erwachsenwerdens, der Abschluss einer Lebensphase: Damit habe ich gezeigt, dass ich eine schwierige Aufgabe meistern kann."
Und doch, die Eintrittskarte für die Universitäten ist das Reifeprüfungszeugnis längst nicht mehr. Vielen Studienrichtungen ist eine Zugangsprüfung vorgeschaltet - nur wer sie besteht, darf das Fach studieren. "Wenn Sie mich fragen: Ist der Wert der Matura als Zugangsberechtigung für die Uni geschwächt? Ja, sicher", sagt Hopmann. Hinter einer solchen Bewertung sieht er jedoch ein grundlegendes Missverständnis. Nämlich, die Reifeprüfung primär eben als Hochschulberechtigung zu definieren.
"Historisch war die Matura in erster Linie ein Abschluss und nicht ein Anfang", erklärt Hopmann. Der Abschluss einer Höheren Schule nämlich. Die Bildungssysteme gerade in Europa seien traditionell durch Abgangsprüfungen geprägt - in Österreich die Matura, in Deutschland das Abitur, in Frankreich das Baccalauréat. Erst als die Studienplätze beschränkt wurde kamen Aufnahmeprüfungen dazu. Andere Systeme, etwa in den USA, seien traditionell viel stärker durch eben diese Aufnahmeprüfungen geprägt.
Traditionell eine Abgangsprüfung
Beides sage nur wenig über die tatsächliche generelle Studierfähigkeit aus, sagt Hopmann. "Wir wissen aber, dass Studienrichtungen mit Aufnahmeprüfungen weniger Abbrecher haben." Das hänge damit zusammen, dass es eben mit Aufwand verbunden sei, in ein Studium hineinzukommen und dies daher auch mehr Wert für den Einzelnen habe."
Als Abschlussprüfung - was die Matura historisch gesehen ist - sei die Matura keinesfalls geschwächt, meint der Bildungswissenschaftler. Denn die ursprüngliche Intention einer Abgangsprüfung von einer Höheren Schule sei nach wie vor unverändert.
Zentralmatura als Dorn im Auge
Der Zentralmatura, in der die schriftlichen Prüfungen für alle gleich zentral vorgegeben werden, ist Hopmann jedoch ein Dorn im Auge. Das Hauptproblem dabei sei, dass das Zentralisierte einen spaltenden Effekt habe. "Es ist doch undenkbar, dass überall das Gleiche gelernt wurde. Und so gibt es immer eine zufällige Bevorzugung oder Benachteiligung, je nachdem, welcher Stoff in der Schule durchgenommen wurde."
Zudem seien die Ressourcen, mit der Situation umzugehen, ungleich verteilt: "Wir alle wissen, dass es zum Beispiel Vorbereitungskurse gibt." Doch diese können sich nicht alle leisten." Das alles führe zu einer Trivialisierung der Matura: "Damit nicht zu viele scheitern, darf man den Hammer dann auch nicht zu hoch hängen", sagt Hopmann und geht mit der Zentralmatura hart ins Gericht: "Man sieht das an der diesjährigen Deutschmatura, deren Aufgabenstellungen waren eine intellektuelle Beleidigung", meint er. (>> Hier << können Sie sich ein eigenes Bild darüber machen - die diesjährigen Maturafragen.)
Wichtige Übergangsrituale im Leben
Auch wenn Hopmann an der Zentralmatura zweifelt, als Ritual sei die Matura extrem wichtig für junge Menschen, gerade auch die Bälle, Streiche, Feiern und anderen Traditionen. "Solche Übergangsrituale sind furchtbar wichtig im Leben", sagt er. "Ich würde mir wünschen, dass es auch am Ende der Volksschule und Mittelstufe solche Übergangsrituale gäbe."
Denn nicht nur durch die Pandemie seien diese Rituale in Österreich in den letzten Jahren zu kurz gekommen. "Immer weniger Kinder gehen zum Beispiel zur Firmung oder Konfirmation. Doch das sind wichtige Marker im Verlauf des Heranwachsens: Damit endet eine Etappe, und eine neue beginnt."