Schon mit ihrer Studie "Lernen unter Covid-19" hatte die Wiener Universitätsprofessorin Christiane Spiel für Aufsehen gesorgt. Sie arbeitet mit einem Forschungsteam der Fakultät für Psychologie der Uni Wien seit dem ersten Lockdown daran, da die Befragungen von Lehrern, Schülern und auch Eltern laufend aktualisiert werden. Doch jetzt folgt bereits die nächste Corona-Studie - und diesmal stehen Österreichs Kindergärten im Mittelpunkt.
"Der Elementarbereich war bislang in Studien zum Lernen unter Covid-19 Bedingungen unterrepräsentiert", betont Christiane Spiel. "Daher habe ich gemeinsam mit Julia Reiter eine Online-Fragebogenstudie und eine Interviewstudie mit Elementarpädagoginnen und -pädagogen betreut, die von den Masterstudierenden Sophie Schmidt, Andrea Steger und Michaela Portele durchgeführt wurden. Die Interviewstudie fokussiert die Erfahrungen mit digital vermitteltem Lernen."
Rege Beteiligung an Umfrage
600 Elementarpädagoginnen und -pädagogen - 96,9 Prozent waren weiblich - wurden während des dritten Lockdowns im vergangenen Frühjahr befragt, natürlich wieder per Online-Fragebogen. Im Zentrum der Fragen standen Herausforderungen, Lernerfolge und Belastungen in Zeiten der Pandemie. Die Teilnehmenden waren zwischen 19 und 62 Jahre alt, nur 6,2 Prozent gehörten einer Corona-Risikogruppe an.
"Die Pandemie hat existente Missstände für diese Berufsgruppe verstärkt. 90 Prozent berichten von stetig ansteigenden Anforderungen, 79 Prozent von großem Zeitdruck und 66 Prozent von häufigem Stress", so Spiel. Gravierend sei, wie gering die Wertschätzung im Verhältnis zu der geleisteten Arbeit wahrgenommen wird: 64 Prozent empfinden die Anerkennung als nicht angemessen, 80 Prozent empfinden das Gehalt als zu gering.
Dabei stellt die Tätigkeit eine anhaltende Belastung dar: 67 Prozent denken bereits beim Aufwachen und 71 Prozent noch beim Schlafengehen über die Arbeit nach. Besonders belastend während der Zeit der Kindergarten-Schließungen wurden der ausbleibende direkte Kontakt und die damit einhergehende Sorge um die Kinder und ihre Familien erlebt. Die Elementarpädagoginnen geben jedoch auch an, aus der Krise gelernt und diverse Kompetenzen erworben und weiterentwickelt zu haben – von Medien- und Führungskompetenzen über eine neue Flexibilität im Umgang mit Unsicherheiten bis hin zu besseren Hygienekonzepten.
Distance Learning kritisch gesehen
Zur Sinnhaftigkeit des Distance Learnings befragt, gaben sechs von zehn Elementarpädagoginnen an, wenig Sinn darin zu sehen, sofern regulärer Kindergartenbetrieb möglich ist. In Zeiten vollständiger Schließung sahen sie den Sinn primär in der sozialen Stabilisierung der Kinder, das heißt darin, weiterhin eine gewisse Routine zu bieten und den Kontakt nicht zu verlieren. Der Einsatz digitaler Kommunikationsformen mit den Eltern wurde vergleichsweise positiver gesehen. Sie ermöglichen direkter, schneller und einfacher mit den Eltern zu kommunizieren und damit das Programm im Kindergarten für die Eltern zugänglich zu machen.
Große Belastung auch ohne Corona
Die Pandemie ist nicht nur an sich ein Riesenproblem für die Menschen - sie hat auch bestehende Missstände sichtbar gemacht und verstärkt, zeigte die Umfrage. So zählten zu den größten Herausforderungen der Personalmangel, die damit verbundene Notwendigkeit, zu große Gruppen zu betreuen und sich mit Kolleginnen in der Betreuung zu koordinieren, aber auch der administrative Aufwand und die Schwierigkeit, eine gesunde Work-Life-Balance herzustellen.
Daniele Marcher