Im Zusammenhang mit der Tötung einer 35-Jährigen in Wien-Brigittenau am Donnerstagabend sind weitere Einzelheiten bekannt geworden. Die Frau wurde vermutlich von ihrem Ex-Lebensgefährten durch einen Kopfschuss getötet. Beim festgenommenen Verdächtigen soll es sich um den "Bierwirt" handeln, der es zu einiger unrühmlicher Berühmtheit brachte, indem er einen Rechtsstreit mit der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer anzettelte. Ein Nachbar wurde Zeuge der Bluttat.
Wie die APA aus gesicherter Quelle erfuhr, war der Nachbar der 35-Jährigen bei der Frau auf Besuch, als der Verdächtige am Donnerstagabend deren Wohnung betrat. Der 42-Jährige soll in Gegenwart dieses Mannes auf die 35-Jährige geschossen haben. Die Getötete ist zweifache Mutter. Ihre 13 Jahre alte Tochter wäre um ein Haar ebenfalls Zeugin der Bluttat geworden. Sie hatte wenige Minuten, bevor der bewaffnete Täter kam, die Wohnung verlassen. Mehrere Medien berichteten darüber, dass es sich bei dem Verdächtigen um den "Bierwirt" handelt soll, eine Bestätigung vonseiten der Polizei gab es aus Datenschutzgründen nicht. Auch die Staatsanwaltschaft Wien gab sich zur Identität des Schützen vorerst schweigsam. Der APA liegen allerdings Informationen vor, die kaum Zweifel an der Identität des Schützen lassen.
"Dass es sich beim Täter offenbar um den Bierwirt handelt, schockiert mich persönlich, ist in der Sache aber unerheblich", meinte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer auf Twitter. Unter Verweis auf die mittlerweile neunte Frau, die im laufenden Jahr von ihrem Ex-Partner getötet wurde, hielt Maurer fest: "Jede getötete Frau ist eine zu viel. Jede verletzte Frau ist eine zu viel."
Die Bluttat ereignete sich im Winarskyhof, einem Gemeindebau in der Winarskystraße im 20. Wiener Gemeindebezirk. Eine Hausbewohnerin hörte Schüsse und verständigte die Polizei. Der erste Notruf erreichte die Einsatzkräfte kurz vor 20.00 Uhr, eine erste Zeugin hatte ein Bedrohungsszenario mitbekommen und war aus dem Haus geflüchtet. Ein, zwei Minuten später kam der nächste Notruf, dass geschossen wurde, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich.
Als die Einsatzkräfte eintrafen, lag die 35-Jährige regungslos am Boden. Die Frau erlitt Schussverletzungen an Kopf und Fuß. Sie wurde noch schwer verletzt ins Spital gebracht, wo sie verstarb. Beamte der Sondereinheit Wega nahmen den Tatverdächtigen im Innenhof fest. Der Mann hatte sich nach Informationen der APA zu diesem Zeitpunkt die Oberbekleidung ausgezogen und trank aus einer Wodkaflasche. Er soll demnach über drei Promille Alkohol im Blut gehabt und sich eine Alkoholvergiftung zugezogen haben.
Der Mann wurde laut Polizei zunächst ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht, weil er im Zuge der Festnahme zusammenbrach. Wie sein Rechtsvertreter Gregor Klammer erklärte, war der 42-Jährige am Freitagnachmittag wieder ansprechbar und wurde zur polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter vorgeführt. Dabei machte der 42-Jährige von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und war zu keinen Angaben zum Tatgeschehen bereit, teilte die Landespolizeidirektion mit.
Der Mordverdächtige wird die Nacht auf Samstag in Polizeigewahrsam verbringen, danach wird er in die Justizanstalt Josefstadt überstellt. Die Staatsanwaltschaft wird dann die U-Haft beantragen, das Landesgericht dürfte darüber frühestens am Sonntag entscheiden.
Beim Verdächtigen war bei der Festnahme die Tatwaffe gefunden und sichergestellt worden. Wem die Schusswaffe gehört, ist Gegenstand von Ermittlungen, sagte Dittrich. Der genaue Tathergang wird noch untersucht.
Medial bekannt wurde der "Bierwirt", als er die Grüne Klubobfrau Maurer klagte, nachdem sie ihn beschuldigt hatte, ihr Ende Mai 2018 via Facebook obszöne Privatnachrichten geschickt zu haben. Maurer veröffentlichte über ihren Twitter-Account einen Screenshot der Botschaften mit eindeutig sexuell anzüglichen Inhalten. "Hallo, du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast meinen Schwanz angeguckt als wolltest du ihn essen." Nach zwölf Minuten folgte eine weitere Nachricht, in der die Politikerin als "dreckige kleine Bitch" bezeichnet wurde. Maurer beschuldigte den 42-Jährigen, die Nachrichten an sie verschickt zu haben, was dieser stets bestritt. Zuletzt hatte der Betreiber des Biershops behauptet, die Nachrichten habe ein gewisser "Willi" am PC in seinem Lokal verfasst, er sei dafür nicht verantwortlich. Nach mehreren Verhandlungen zog der Mann die Klage jedoch zurück.
Zuletzt hätte sich der 42-Jährige wegen Nötigung vor dem Straflandesgericht verantworten müssen. Allerdings wurde der Prozess Anfang April vertagt, da sich der Wahlverteidiger des Wirts nicht vorbereiten konnte. Dabei ging es um einen Streit zwischen dem 42-Jährigen und einem Passanten am 24. September 2020. Der 63-Jährige soll vom angeblich angetrunkenen Gastronomen zum Weggehen aufgefordert worden sein. Als er der Anweisung nicht nachkam, soll der Wirt ihn mit einem als Taschenlampe getarnten Elektroschocker - einer verbotenen Waffe - bedroht haben.
Bei der Bluttat in Brigittenau handelt sich um die neunte Tötung einer Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner in diesem Jahr in Österreich. Erst am Mittwoch vergangener Woche hatte ein 65-Jähriger in Neulengbach (Bezirk St. Pölten-Land) seine 64-jährige Lebensgefährtin getötet. Der Mann ist geständig und in Untersuchungshaft. Opposition und Frauenhilfsorganisationen hatten daraufhin mehr Prävention gegen Gewalt an Frauen gefordert.
Die Opferschutzeinrichtungen beklagten am Freitag erneut eine totale Überlastung ihrer Institutionen. Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionshilfe gegen Gewalt in der Familie, berichtete etwa, dass ihre Organisation mehr als 6.000 Fälle pro Jahr bearbeitet. "Da ist keine Zeit, auf das Opfer einzugehen", bemängelte sie im Gespräch mit der APA. Im Jahr 2020 sind in Wien von der Interventionsstelle 6.199 Fälle betreut worden. Eine langfristige und intensive Unterstützung Betroffener sei so nicht mehr möglich. Ein Berater bzw. Beraterin hat in akuten Hochzeiten bis zu 300 Opfer zu betreuen. "Für Kolleginnen und Kollegen ist das eine unheimliche Belastung, weil sie so wenig Zeit haben und nur kurzfristig da sein können." Die Einrichtungen hätten mehrfach die Politik um Hilfe gebeten, weil die Anforderungen gestiegen seien, so Logar.