Im Glauben, vor ihm säße der Mann, der seine Freundin zu vergewaltigen versucht hatte, hat ein 23-Jähriger diesem im vergangenen Sommer den Inhalt eines Suppentopfs über den Kopf gegossen. Der 33-Jährige erlitt lebensgefährliche Verletzungen, wäre er nicht umgehend in ein Spital überstellt und notfallmedizinisch behandelt worden, wäre er gestorben, wie Gerichtsmediziner Christian Reiter am Montag am Landesgericht Wien darlegte.
Der 23-Jährige bekannte sich dort zur inkriminierten absichtlichen schweren Körperverletzung mit Dauerfolgen schuldig. Das Opfer trug Verbrennungen zweiten und dritten Grades am ganzen Körper davon. Die 150 Grad heiße Flüssigkeit verbrannte 30 Prozent der Hautoberfläche des Mannes, der im Krankenhaus ins künstliche Koma versetzt wurde, zwei Wochen auf der Intensivstation verbrachte, wo auch noch die Nieren versagten, ein Atemnotsyndrom und eine Lungenentzündung auftraten. Erst nach eineinhalb Monaten konnte er das Krankenhaus verlassen.
Die Freundin des Angeklagten hatte nach einem heftigen Streit mit ihrem Partner bei dem 33-Jährigen übernachtet. Als sie sich beruhigt hatte und zu dem Kellner zurückkehrte, erfuhr dieser, dass der um zehn Jahre ältere Mann seine Freundin bedrängt und mit Gewalt zu Sex gedrängt habe. Wenige Tage später - am 19. Juli 2020 - führte der 23-Jährige seine Freundin zum Essen in einem China-Restaurant aus, als diese plötzlich zu zittern und weinen begann. Draußen im Gastgarten hatte sich der Mann hingesetzt, bei dem sie unlängst übernachtet hatte.
Angriff in Chinarestaurant
"Er war in nachvollziehbarer Weise erzürnt und wütend", billigte der Staatsanwalt dem Angeklagten zu. Der junge Mann ging nach draußen, fragte den 33-Jährigen nach dem Namen, und nachdem er dessen Identität zweifelsfrei geklärt hatte, griff er nach der Schüssel, in dem sich die heiße Suppe befand, und schüttete ihm diese über den Kopf. "Er wollte ihm eine Abreibung verpassen", meinte der Staatsanwalt. "Es wäre g'scheiter gewesen, er hätte ihm zwei Mal in die Gosch'n g'haut", hielt Verteidiger Elmar Kresbach fest. Sein Mandant habe sich in einer "emotionalen Ausnahmesituation" befunden: "Das muss ein Heiliger sein, wer da nicht gewisse Gewaltfantasien entwickelt."
Am behaupteten Vergewaltigungsversuch war allerdings zumindest aus Sicht der Staatsanwaltschaft nichts dran. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen den 33-Jährigen wurde mangels eines Schuldbeweises eingestellt.
Aussagen von Täter und Opfer
"Ich war sehr, sehr zornig", gab der Angeklagte zu Protokoll. Er habe sich "ganz verloren" gefühlt: "Ich wusste nicht, was ich tun soll." Der 33-Jährige habe es abgelehnt, mit ihm zu sprechen und sich stattdessen seinem Suppengericht gewidmet: "Ich wollte, dass er nicht weiter essen kann."
Nach der Attacke stellte sich der 23-Jährige der Polizei und schilderte den Beamten seine Beweggründe. Außerdem war er von sich aus mit Hilfe seiner Eltern zur Schadensgutmachung bereit. Das Opfer bekam mittlerweile 60.000 Euro überwiesen. In der Verhandlung entschuldigte sich der 23-Jährige beim lebensgefährlich Verletzten. "Ich akzeptiere diese Entschuldigung", reagierte dieser.
Auf die Frage, wie es ihm aktuell gehe, erwiderte der 33-Jährige, er habe "sehr lange sehr starke Schmerzen" gehabt: "Ich weine nicht so oft. Damals (am Tatort, Anm.) habe ich vor der Polizei geweint." Er habe Narben am Kopf, im Gesicht, am Oberkörper und an den Beinen: "Die bleiben ewig."
Rasches Urteil
Der 23-Jährige wurde von einem Schöffensenat wegen schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen zu zwei Jahren Haft verurteilt, die ihm im Hinblick auf seine geständige Verantwortung und seine bisherige Unbescholtenheit bedingt nachgesehen wurden. Dem jungen Mann wurde allerdings die Weisung erteilt, sich einem Anti-Gewalttraining zu unterziehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.