Nach der Messerattacke eines Fahrgastes auf einen Zugbegleiter in Niederösterreich wird wegen des Verdachts des versuchten Mordes ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat nach Angaben von Sprecherin Nina Bussek vom Freitag die Verhängung der Untersuchungshaft über den 17 Jahre alten Beschuldigten beantragt. Im Raum stand auch die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.
Verübt wurde der Angriff am Donnerstagvormittag auf der Strecke der Franz-Josefs-Bahn zwischen Klosterneuburg (Bezirk Tulln) und Tulln. Vorausgegangen war ein Streit zwischen dem Jugendlichen und dem 54-jährigen Zugbegleiter. Für den Beschuldigten klickten in Tulln die Handschellen. Der Attackierte wurde nach notärztlicher Versorgung in das Universitätsklinikum in der Bezirksstadt gebracht. Der 54-jährige hatte schwere Verletzungen erlitten und vermutlich nur überlebt, weil Zeugen dazwischengegangen waren und eine im Zug mitfahrende Ärztin sofort Erste Hilfe geleistet hatte.
Großmutter suchte vergeblich Hilfe
Die Großmutter des 17-Jährigen, bei der er lebte, ist sich sicher, dass die Tat verhindert hätte werden können. Schon seit zwei Jahren hätte es immer wieder Probleme mit dem Jugendlichen gegeben, der ihren Angaben nach an einer psychischen Krankheit leidet und schon mehrmals in der Psychiatrie behandelt wurde. Es sei schon zuvor zu gefährlichen Drohungen und sogar einer Wegweisung aus der Wohnung der Mutter gekommen.
Auch am Tag vor der Messerattacke sei es zu Problemen mit dem 17-Jährigen gekommen. "Sogar die Polizei war da und hat versucht, eine Unterbringung für ihn in der Psychiatrie zu finden", erzählt eine Bekannte der Großmutter, eine Krankenschwester. Doch es sei so kurzfristig kein Platz zu finden gewesen. "Alles war voll, auch im AKH Wien."
Wie die Großmutter erzählt, hatte ihr Enkel selbst die Polizei gerufen, weil er in die Psychiatrie wollte. "Er wurde gerade medikamentös neu eingestellt und hat wahrscheinlich gespürt, dass es nicht richtig wirkt."
Dass der Jugendliche zur Aggressivität neigt, sei amtskundig. Auch das Jugendamt war in den Fall involviert, es hatte zuletzt gar die Obsorge. Woher ihr Enkel die Tatwaffe, ein Steakmesser hatte, kann sich die Großmutter nur so erklären: "Wir sind gerade beim Siedeln. Wahrscheinlich hat er es aus der alten Wohnung geholt." Denn sie hätte den Burschen immer kontrolliert - aus Angst, dass etwas passieren könnte.
Auch warum er es eingesteckt hatte, kann die Großmutter nur vermuten: "Wahrscheinlich war er auf dem Weg zu seiner früheren Schule in Tulln." Dort sei er vor zwei Jahren einmal selbst mit einem Messer bedroht worden.
Tatort Arbeitsplatz
Wie die ÖBB ortet auch die Gewerkschaft vida seit einem Jahr, mit Fortdauer der Corona-Pandemie, eine Zunahme der physischen und verbalen Aggressionen unter den Fahrgästen gegenüber dem Zugpersonal. Das gehe auch aus entsprechenden Berichten Betroffener gegenüber den BetriesbrätInnen und der Gewerkschaft klar hervor, sei aber kein Phänomen, dass allein ÖBB-Züge betreffen würde. „Gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten braucht das Personal in den Zügen mehr Unterstützung und Schutz“, fordert Günter Blumthaler, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida, anlässlich des gestrigen schweren Übergriffs auf einen Zugbegleiter in Niederösterreich.
Daniele Marcher