Es war im März vor 60 Jahren, als die Promillegrenze für Verkehrsteilnehmer eingeführt wurde. Vorher, in den oft verklärten 1950er-Jahren, war das Fahren in illuminiertem Zustand nicht verboten und leider keine Seltenheit, wie die Experten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) betonen. "Das Fahren unter Alkoholeinfluss war weit verbreitet und akzeptiert, klare rechtliche Rahmenbedingungen gab es nicht."
Das galt bis zum Frühjahr 1961, als die Promillegrenze in Österreich eingeführt und auf 0,8 Promille festgelegt wurde. „In den 1980er und 1990er Jahren ist die Zahl der bei Alkoholunfällen Verletzten und Getöteten sogar stärker zurückgegangen als die allgemeinen Unfallzahlen“, betont Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Recht & Normen im KFV, die Sinnhaftigkeit der Promillegrenze, die 1998 noch einmal verschärft wurde. Seither liegt sie bekanntlich bei 0,5 Promille - allerdings nicht für alle Verkehrsteilnehmer.
Für Radfahrer ist die Zeit 1998 scheinbar stehen geblieben. Für sie gilt auch heute noch die 0,8 Promille-Grenze, obwohl sich, wie zahlreiche Studien und die Realität im Straßenverkehr beweisen, eine Alkoholisierung schon bei geringen Promillewerten maßgeblich auf die Reaktionsfähigkeit und damit auch auf das Unfallrisiko auswirkt. "Wir haben dazu vor einigen Jahren einen Praxistest gemacht und die Radfahrer wirklich auf 0,5 bzw. 0,8 Promille trinken lassen - die Unterschiede waren gravierend", erzählt Kaltenegger.
Warum blieben 0,8 Promille dennoch?
Das für Radler der höhere Promillewert blieb, erklärt sich ganz einfach: Es war ein Fehler! Wie Rechtsexperte Kaltenegger weiß, war um die geplante Absenkung auf 0,5 Promille ab 1997 ein heftiger Streit zwischen den Parteien entbrannt. Bis es einen tragischen Unfall gab, bei dem ein Alkolenker gleich mehrere Kinder tötete. Daraufhin war man im Zugzwang, es wurde raschest gehandelt - und die Änderung "in das Führerscheingesetz geschrieben". Wäre es in die Straßenverkehrsordnung (STVO) geschrieben worden, dann würde es heute für alle Verkehrsteilnehmer gelten.
Bei E-Bike-Fahrern hängt die Promillegrenze übrigens davon ab, ob es sich um ein Rad mit Tretunterstützung (0,8 Promille) oder ein elektrisch betriebenes Rad mit mehr als 600 Watt (0,5 Promille) handelt, weiß der ÖAMTC. Letzeres gilt dann rechtlich als Moped.
Strafrechtliche Konsequenzen
Betrunken Fahrrad zu fahren hat dennoch seine strafrechtlichen Konsequenzen. So werden in Österreich ab 0,8 Promille Geldstrafen von 800 bis 3700 Euro verhängt, bei mehr als 1,6 Promille drohen sogar bis zu 5900 Euro Bußgeld. Außerdem kann der Führerschein entzogen werden - wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit. Ein Verkehrscoachung oder eine Nachschulung kann angeordnet werden, bei einem Unfall ist auch mit einem versicherungsrechtlichen Nachspiel zu rechnen. Wird der Alkotest verweigert, kostet das zwischen 1600 und 5900 Euro. Wer sein Fahrrad jedoch schiebt, gilt offiziell als Fußgänger.
Zahl der Radfahrer stark gestiegen
Durch die Corona-Pandemie ist der Radverkehr in den letzten zwölf Monaten in Österreich stark gestiegen, weiß der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Bereits bei der letzten Umfrage gab mehr als die Hälfte der Befragten an, das Fahrrad mehrmals die Woche für den Weg zur Arbeit, aber auch für private Erledigungen wie zum Einkaufen zu nutzen. Selbst vergangenen Winter blieb fast die Hälfte ihrem zweirädrigen Untersatz treu.
Österreich ist mit seiner 0,8-Promille-Grenze europaweit gesehen allerdings kein Einzelfall: In Deutschland wird erst ab 1,6 (!) Promille, der absoluten Fahruntauglichkeit, gestraft, außer der Radfahrer kann seine Fahrweise nicht kontrollieren. Aber: Für Fahrradfahrer gilt ebenso eine Promillegrenze ab 0,3 Promille, die auch als relative Fahruntauglichkeit bezeichnet wird. Sollten sie dann schon auffällig werden und etwa schwankend fahren, können bereits hier Strafen drohen.
Die skandinavischen Länder, in denen das Radfahrer ja schon seit vielen Jahren boomt, setzen hingegen auf die Selbstverantwortung der Radler. Dort gibt es am Fahrrad keine Promille-Grenze. Wenn man alkoholbedingt aber nicht mehr sicher unterwegs ist, kann es teuer werden. Die Strafen sind beispielsweise in Dänemark und Norwegen einkommensabhängig.
Daniele Marcher