Mit Nathalie Becquart hat erstmals eine Frau ein Stimmrecht in der vatikanischen Bischofssynode. Und die Deutsche Bischofskonferenz wählte Beate Gilles zu ihrer Generalsekretärin. Wie ist das zu deuten?
PROFESSOR PAUL ZULEHNER: Diese beiden Bestellungen sind ein wirklich wichtiger Schritt in unserer katholischen Kirche. Beide Frauen sind sehr gute Theologinnen, Frau Gilles eine Laientheologin, Frau Becquart eine Ordensfrau. In Deutschland ist das ein wichtiges Zeichen an die Frauen, dass der Großteil der Bischöfe den schon vorhandenen Spielraum ausnützt. Der Vatikan folgt dem Anliegen des Papstes, das er schon auf der Amazoniensynode geäußert hatte, den Kreis der Synodalen durch Laien und hier wiederum durch Frauen zu erweitern. Eine Synode ist ein kirchliches und nicht ein klerikales Ereignis. Heißt doch das griechische syn-odos „miteinander unterwegs“, gemeint ist das pilgernde Gottesvolk.

Pastoraltheologe und Religionssoziologe Paul Michael Zulehner
Pastoraltheologe und Religionssoziologe Paul Michael Zulehner © KK

Papst Franziskus hat in seinem Schreiben zur Amazonassynode dem Frauenthema viel Platz eingeräumt. Die Reaktionen darauf fielen jedoch sehr unterschiedlich aus.
In diesem wichtigen Schreiben nach der Synode setzt sich der Papst für das Schicksal von Frauen ein. Es ist ein Klagelied: „Die Frauen der Yekuana wurden vergewaltigt, ihnen wurden die Brüste entfernt und den Schwangeren wurde der Bauch aufgeschlitzt.“ Er äußert sich auch ausführlich über die Position der Frauen in der Kirche. Einerseits lobt er den starken und engagierten Dienst der Frauen: Ihnen verdanken die Gemeinden im Regenwald ihr Überleben, ohne sie „würde die Kirche zusammenbrechen“. Andererseits sieht er keinen Weg zur Ordination von Frauen, damit „ihre Gemeinden“ auch Eucharistie feiern könnten. Seine Argumente sind bekannt, aber nicht wirklich schlüssig. Ihre Weihe, so der Papst, würde die Frauen klerikalisieren. Auch finde ich es als Männerforscher nicht angebracht und auch kränkend, dass nur Frauen Zärtlichkeit zugeschrieben wird. Solche schönen Gedanken wird die Initiative „Maria 2.0“, die ja mehr Rechte für Frauen in der Kirche einschließlich des Zugangs zur Priesterweihe fordert, nicht beruhigen.

Hinsichtlich des Frauendiakonats scheint Papst Franziskus ebenso unentschlossen zu sein.
Die Diakoninnenkommission arbeitet schon so lange, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass sie eher die Frauen beruhigen und hinhalten, denn eine Lösung bringen soll. Auch scheint den Verantwortlichen klar zu sein, dass das Diakonat der Frau den Einstieg in den unteilbaren Ordo bedeuten und damit grundsätzlich auch den Zugang zur Priester- oder Bischofsweihe öffnen würde. Man kann ja nicht nur ein bisschen schwanger sein. Wohl deshalb geht nichts weiter.


Hat Franziskus Angst vor eine Kirchenspaltung?
Die Kirchenspaltung ist ein Killerargument derer, die nichts ändern wollen. Der Papst ist spirituell zu tief verankert, als dass ihn das wirklich auf seinem Weg aufhält.


Wären regionale Lösungen, etwa für den deutschsprachigen Raum, eine Möglichkeit?
Für Österreich stehen mir Untersuchungsergebnisse für ein halbes Jahrhundert zur Verfügung. Diese zeigen, dass es in unserer Zeit zu einem beträchtlichen Umbau kommt. Der Papst hat dazu gesagt, dass eine Ära zu Ende geht: die Konstantinische Zeit, wo Gesellschaft, Kultur und Christentum eng verwoben waren. Da musste man als Österreicher katholisch sein. Jetzt können die Menschen frei wählen, auch in religiöser Hinsicht. Bei diesem Wählen zählt, ob ich gute Gründe dafür habe, dabei zu sein und mitzumachen, oder ob es Irritationen gibt, die mich von der Kirche entfernen. Das ist leider bei den jüngeren Frauen der Fall. Männer in Leitungsposition wollen sie nicht diskriminieren, aber dennoch fühlen genau das junge Frauen und ziehen sich zurück. Das erklärt auch, warum unter den Mitgliedern der Initiative „Maria 2.0“ kaum junge Frauen sind, dafür jene aus der mutigen Konzilsgeneration, die in der Kirche bleiben und sich Reformen wünschen. Dass es daneben die konservative Gruppe „Maria 1.0“ gibt, zeigt jedoch, dass manche Frauen sich in ihrer traditionellen Frauenrolle in der Kirche durchaus wohlfühlen.


Hat Corona an der Frauenfrage etwas verändert?
Wo während der Coronazeit eine Kirchengemeinde vor allem auf Gottesdienste gesetzt hat, waren eher die Männerpriester aktiv. Es war keine Frau zu sehen, die das Virus mit der Monstranz wegsegnen wollte. Frauen haben eher diakonale Dienste gemacht: Sie sind für andere einkaufen gegangen, haben alleinstehende Menschen angerufen, sich mit Nachbarn zum Gebet versammelt. Die von starken Frauen geleitete Katholische Aktion Kärntens hat über Sozialläden zu Ostern bedürftigen Menschen Aufmerksamkeit zukommen lassen. Und in der Steiermark hat sich die Katholische Aktion, die ebenso stark von Frauen mitgetragen wird, für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Lager Kara Tepe eingesetzt. Das wäre für mich der einzig plausible Grund, Frauen nicht zu weihen, weil sie dann vielleicht von der Diakonie „weggeweiht“ werden.