Fünf syrische Staatsbürger, die seit mehreren Jahren in Österreich leben, sind am Dienstag wegen gewerbsmäßiger Schlepperei am Wiener Landesgericht schuldig gesprochen und zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und vier Jahren verurteilt worden. Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella legte den Männern zur Last, aus ihrer Heimat geflüchteten Landsleuten entgeltlich dabei geholfen zu haben, nach Deutschland und in die Niederlande zu gelangen.
27 einzelne Fakten waren von der Anklage umfasst. Deutlich mehr als 150 Personen - die genaue Anzahl ließ sich von der Polizei nicht ermitteln - dürften zwischen März 2019 und September 2020 befördert worden sein, wobei pro Person bis zu 1.200 Euro in Rechnung gestellt wurden. Bei den Angeklagten handelte es sich um einen 53-jährigen Familienvater und dessen 21 Jahre alten Sohn sowie drei Brüder im Alter von 24, 27 und 28 Jahren. Sie waren darauf spezialisiert, geflüchtete Syrer, die es nach Ungarn, Slowenien und Italien geschafft hatten, an der Grenze abzuholen und weiter Richtung Norden zu schleusen. Jene, die aus Ungarn nach Österreich gebracht wurden, machten teilweise in Wohnungen in Wien Zwischenstation, wo sie verköstigt wurden und übernachteten, ehe es am nächsten Morgen weiterging.
Schlepperfahrten mit einem Van
Der 53-Jährige, der regelmäßig mit einem Van Schlepperfahrten durchgeführt hatte, wurde Anfang April 2020 auf frischer Tat beim Transport von vier Geflüchteten festgenommen. Im Zuge weiterer Erhebungen und der Auswertung seiner Rufdaten wurden vier Tatverdächtige ausgeforscht, darunter der 21 Jahre alte Sohn des Fahrers, der diesem regelmäßig telefonisch die genauen Standortdaten der "Kunden" durchgegeben hatte. Nach weiteren Mittätern, von denen zum Teil nur die Vornamen bekannt sind, wird noch gefahndet.
Einer der Angeklagten hatte auf seinem Facebook-Profil die Schlepperdienste angeboten. Mitunter sprangen die Interessenten ab, weil sie die verlangten Summen nicht aufbringen konnten. Blieben die Leute den Schlepperlohn schuldig, wusste man sich zu helfen. In zumindest einem Fall trat ein in Deutschland wohnhafter Bekannter eines Angeklagten an einen Syrer heran, nachdem dieser Deutschland erreicht hatte, und trieb den ausstehenden Betrag ein.
Die Angeklagten waren vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Daniel Rechenmacher) umfassend geständig. Lediglich der 21-Jährige gab zu Verhandlungsbeginn zunächst an, er habe nicht geahnt, wozu sein Vater die Handy-Standortdaten brauchte, die er ihm rapportierte. Nach einer Besprechung mit seinem Verfahrenshelfer legte dann aber auch der Maler-Lehrling ein Geständnis ab: "Ich gebe zu, dass ich gewusst habe, dass etwas schief läuft. Ich wollte nur, dass die Leute ihr Ziel erreichen." Auf seiner eigenen Flucht habe er es "auch sehr schwer" gehabt, betonte der 21-Jährige. Er erhielt am Ende im Hinblick auf seinen untergeordneten Tatbeitrag und sein fast noch jugendliches Alter 15 Monate Haft, davon fünf Monate unbedingt. Sein von Verteidiger Andreas Schweitzer vertretener Vater bekam 20 Monate unbedingt.
Was die drei Brüder betrifft, fasste der Jüngste mit vier Jahren unbedingter Haft die höchste Strafe aus. Der 24-Jährige hatte auf Facebook um Kunden geworben und war am tiefsten in die verfahrensgegenständlichen Abläufe verstrickt. Seine älteren Brüder wurden zu zwei bzw. zweieinhalb Jahren - jeweils unbedingt - verurteilt. Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräftig.
Die älteren Angeklagten führten als Motiv für die inkriminierten Handlungen finanzielle Erwägungen ins Treffen. Arbeits- und mittellos war allerdings keiner von ihnen. Die drei Brüder hatten bis zu ihren Festnahmen Jobs als Schlosser, Metallarbeiter und Post-Mitarbeiter und verdienten nicht schlecht, der 53-Jährige bezog als fünffacher Vater eigenen Angaben zufolge für seine siebenköpfige Familie Sozialhilfe in Höhe von 3.550 Euro monatlich.